Wer das übersteht, hat die besten Aussichten auf internationale Konzertverpflichtungen. Eine Auswahl von Finalrunden-Teilnehmern des 67. ARD-Musikwettbewerbs stellte sich am Sonntag, 16. September, in einer Matinee in der whiteBOX vor, noch bevor die Preisträger-Konzerte ab dem 19. beginnen. Diese finden am 19. und 20. im Prinzregententheater und am 21. im Herkulessaal statt. Alle drei Abschlusskonzerte werden außerdem live von BR-KLASSIK übertragen.
Seit 1952 hat dieser Wettbewerb die Qualität einer internationalen, musikalischen Kaderschmiede. In fünf Runden, die es ohne Verschnaufpause zu überstehen gilt, haben hier heutige Stars wie Jessye Norman, Francisco Araiza, Maurice André, Thomas Quasthoff ihren Grundstein gelegt. Das Besondere bei der Matinee in der whiteBOX: Auftragskompositionen, die unter anderem auch vom Werksviertel Mitte gefördert wurden.
En-Chi Cheng aus Taiwan eröffnet mit J.S. Bachs Partita Nr. 2, Allemande, Sarabande und Gigue. Tänzerisch springt er am Ende einer Modulation zurück ins Thema, ohne abzusetzen. Das barocke Karusssell dreht sich leicht, man springt auf und verschwindet genüsslich. Leise, hohe kurze Töne sind spontan da, zart, aber bestimmt.
Die Russin Natalya Boeva (Mezzospran) mit Susanna Klovsky am Klavier singt aus Stefano Gervasonis (* 1962) „Zwei Grabschriften upon epitaphs by Nelly Sachs“(Die Malerin & Der Besiegte). Der süße Tod der Romantik, er soll kommen. Dabei wird ein Bogen gespannt von Franz Schuberts „Der Jüngling und der Tod“ zur Vertonung der Nelly Sachs-Gedichte. Man denkt auch an Schönberg-Lieder mit ihren jähen Intervallen und den Reibungen zu den Klavierakkorden. Der Tod, als Garant der Individualität.
Mihály Könyves-Tóth aus Ungarn spielt auf der Trompete Olga Neuwirths (*1968) „fumbling & tumbling for solo trumpet in C“. Er verfügt über sämtliche irregulären Klangbildungen. Multiphonics (Mitschwingen der Stimmbänder), Wiehern, Satchmo-Growl, kürzeste Grace-Notes der angerissenen Verzierung in scharfen Höhen, unbequem große Intervalle und jazzig hochgejagte Tetra-Chords. Das alles vermag er ansatzlos ins Große der Komposition einzubauen.
Das Lux Trio, bestehend aus Eunyoo An (Südkorea, Klavier), Jae Hyeong Lee (Südkorea, Violine) und Hoon Sun Chae (Südkorea, Violoncello) spielt zuerst aus Hans Werner Henzes Kammersonate für Klavier, Violine und Violoncello und dann die Auftragskomposition von M. Srnka (*1975) „Emojis, Likes and Ringtones for Piano Trio“. Henzes Kammersonate im Allegro Assai ist feurig dunkel, geradezu von diabolischem Schaffenszorn. Dann in Dolce con tenerezza hält die positive Schöpferkraft eines Demiurgen federleicht wie eine Spieluhr dagegen, schräge Akkorde fallen und taumeln durch die gläserne Menagerie einer göttlichen Schöpfung hindurch, stürzen ab. M. Srnkas „Emojis, Likes and Ringtones“ bebildert ironisch und schrill ähnliche Kämpfe in einer Welt anderer Zeichensysteme. Ringtones klingen wie die digitalen Trugbilder barocker Vogelstimmen, Anrufe wiederholen sich, immer zorniger. Das Smartphone mutiert zu einem Instrument Stephen Kings. Explosive Gemische. Die synthetischen Spielzeuge erwachen und tyrannisieren.