Am Freitag, 13. April, eröffnete in der whiteBOX „In Transition“, die zweite von der Architektin Çağla Ilk kuratierte Ausstellung nach „Fleisch und Stein“ im vergangenen Oktober ( http://www.werksviertel-mitte.de/2017/09/25/ausstellung-fleisch-und-stein-in-der-whitebox/).
Die Ausstellung gehört zum whiteBOX-Themenschwerpunkt „Body and Space“, gesellschaftspolitisch gesprochen zur großen Frage von Humanität und Stadt. Ein erster Vorläufer dieses Ansatzes war im vergangenen September Aline Brugels Streetperformance und Plakataktion „Corps in Situ in City“. Speziell vor dem Hintergrund der Werksviertel-Bauprojekte sind solche Austellungskonzepte geeignet, einen diskursiven Impuls in Fragen der Urbanistik und Gentrifizierung zu geben.
„In Transition“ beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, mit der Umwandlung und Verwandlung von Städten und Siedlungen. In Verbindung damit steht die Frage nach dem Gedächtnis der Stadt sowie ihre Funktion als Ort des Widerstands. Funktionen des Widerstands, beziehungsweise der gezielten Desorientierung in der Konsum-Signaletik der modernen Städte konnte man bei der Vorgänger-Ausstellung GRAFFITIMUSEUM:INVENTARIUM diskutieren.
Als hermetischer Auftakt der Ausstellung, gleich links am Eingang fungiert „Collapsing New Buildings“, eine Installation von Pınar Öğrenci. Bauzaun-Spanplatten, ein gewohntes Bild beim Betreten des Werksviertel-Geländes, auch hier in der Ausstellung. Gucklöcher darin geben uns den Blick frei auf Passanten, die an den Bauzäunen zweier Baustellen entlang flanieren und die Stadtverwandlung beobachten. Zwei Filme, zwei Orte: Einmal ein IKEA-Outlet in Hamburg, das andere Mal die Baustelle „Taksim Pedestrianization Project“ in Istanbul, die in Zusammenhang mit der Gezi-Park-Bewegung stand. Wir beobachten die Beobachter, die ihrerseits nicht viel mehr zur Kenntnis nehmen können als stoisch sich hin und her bewegende Baufahrzeuge. Macht irgendwie den Eindruck von so etwas wie interessierter Ohnmacht. Die Schriftstellein und Aktivistin Pınar Öğrenci konnte nicht zur Eröffnung kommen, ihr wurde die Ausreise wegen der Teilnahme an einem Friedensmarsch verwehrt.
Den Raum beherrschen zentral drei Modelle. Bei den Modellen von Ahmet Öğüt „Pleasure Places of All Kinds“ blicken wir von oben über die Bauzäune hinweg in Baugruben. Wir betrachten einsam und isoliert stehende Häusermodelle sogenannter „Nail Houses“ in China und der Schweiz. Das sind die Häuser von Eigentümern, die sich gewehrt haben an Investoren zu verkaufen. Im Falle des Züricher Hauses ehrten die Bewohner den „Local Hero“. In Anlehnung an ein benachbartes Luxushotel mit Namen „Renaissance“ brachten sie an ihrer Fassade den Schriftzug „Resitance“ an.
Mit dem Thema Stadt-Gedächtnis beschäftigen sich Fotografien und Videos. Nina und Maroan El Sani beziehen sich in ihrem 2-Kanal-Video über die alte „Bibliothèque Nationale de France“ auf einen Film des berühmten Meisters des französischen Kinos Alain Resnais.
Im Dokumentationsfilm „Toute la memoire du monde“ zeigte Resnais 1956 die Funktionsweise diese größten Wissenspeicher der Neuzeit, gegründet bereits im 14. Jahrhundert. Nina Fischer und Maroan El Sani zeigen den Lesesaal in der Zeit seiner 18 Jahre währenden Schließung. Trotz Umzugs der Bibliothek unter Francois Mitterand und einer Wiederöffnung des alten Saales in der Rue de Richlieu, atmen die Bilder des leeren Saals die Melancholie eines Gedächtnisses der Menschenleere. Die Verwandlung des Urheberrechtsfreien Gedächtnisses hinter die digitalen Bauzäune von GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) hält an. Die Melancholie von Resnias ist ihrer Zeit voraus geeilt.
In Transition in der whiteBOX
Die Ausstellung „In Transition“ ist bis 20. Mai von Mittwoch bis Sonntag von 10-18 Uhr geöffnet.
Führungen finden Samstags und Sonntags um 14 Uhr sowie jeden Donnerstag um 18 Uhr statt. Sonderführungen auf Anfrage (office@whitebox.art)
Weitere Informationen unter: http://www.whitebox.art/projekte/in-transition/