Das Werksviertel hat einen eigenen Gottesdienst. Am Sonntag, 4. März, als die ersten auf das Gelände eintrudeln und sich über das Ende der Kältewelle freuen, folgen auch Menschen verschiedenen Alters dem Ruf von „Sunday – urban christian life“ zu einem interkulturellen Worship-Gottesdienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in die Nachtkantine. Bereits letztes Jahr, als eine Bergmesse auf dem Gipfel des WERK 3 im HOCH 5 gefeiert wurde, war einer der Kernsätze von Pfarrer Rainer Maria Schießler von St. Maximilian: Wo sich die Gemeinde in Gott versammelt, ist Gottesdienst.
Der Worship-Gottesdienst ist eine relativ neue Variante des klassischen Kirchengottesdienstes und wird in mehreren Städten bereits erfolgreich praktiziert. Man hört sowieso kein lateinisches Wort und auch kein „Veni Creator“. Hinter einem schlichten Holzkreuz neben einer brennenden Kerze hat sich auf der Bühne der Nachtkantine eine Band aufgebaut. Das Thema des Lobpreisungsgottesdienstes (Worship) heißt „Follow me“, das donnernde Orgel-Intro wird ersetzt von Whopee Goldbergs „Sister Act“ vom Band. Die Sunday-Band spielt ihre Version des Psalms „Lobe den Herrn, meine Seele“. Auf dem Video-Screen erscheint die englische Übersetzung. Später wird auch Fernando Rodriguez auf spanisch teilnehmen. Bei den Fürbitten tritt eine Frau nach vorne und äußert sich auf französisch. Die Studentin Ella Albers greift das Thema „Follow me“ in einer Kurzpredigt auf, denkt nach über den Selfismus von Facebook, Instagram und Co und steuert in Richtung des Gegensatzes von Idolatrie und innerem Bild des Glaubens.
Das vertieft Pfarrer Norbert Roth in seiner Predigt. Er bezieht sich auf Markus 10,17-27, als Jesus von einem reichen Jüngling, der bei Lukas auch ein Oberer genannt wird, gefragt wird, was er denn tun müsste, um das ewige Leben zu ererben. Er befolge ja alle Gebote, sei gottesfürchtig und rechtschaffen, er erfülle ja alles. Eines fehlt dir sagt Jesus: „… verkaufe alles…und gibs den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach…“ Der Jüngling aber wendet sich traurig ab, denn er hatte viele Güter. Wie beim Gleichnis vom Verlorenen Sohn gehört diese Passage zum essentiell neuen Denken von Jesus im Widerspruch zur althergebrachten Tradition der pharisäischen Rabbinen. Es gibt kein Geschäft mit Gott. „Etwas zu geben, um etwas zu bekommen, ist Unglaube“ pointiert Norbert Roth.
Die Erfüllung religiöser Pflichten und Gebote ist kein Investment für ein Grundstück im Paradies. Das hat seine Wichtigkeit nicht verloren. Zum Abschluss kommt dann der Segen und die Sunday-Band spielt „Follow Me“ in einer Version von Uncle Kracker, der wahrscheinlich nicht von sich behaupten kann, dass er immer gottesfürchtig lebt.
Sola Gratia.