Zum zweiten Mal fand in der TonHalle vom 14.- 16. Juli 2017 das Jugendorchester-Festival AUFTAKT! statt. Dachorganisation ist die JMI, Jeunesses Musicales International, die größte nicht staatliche Organisation für Jugendmusik, weltweit.
Die bereits während des zweiten Weltkrieges in Brüssel gegründete Kulturorganisation vereinigt nationale Vertretungen in 45 Ländern und betreibt Kontaktstellen in weiteren 35 Ländern. Für Jeunesses Musicales Bayern begrüßte uns Boris Braune. Zusammen mit Martina Taubenberger von der whiteBOX wurden die Gäste durchs aufwändige Programm geführt. Mariss Janson, Chefdirigent vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, ist auch hier wie bei den anderen zahlreichen Klassik- und Crossover-Projekten Schirmherr.
Eine Initiative „Musik schafft Heimat
Ausgehend vom Anliegen der Förderung junger Menschen, ergaben sich für die Ausrichter des Jugendfestivals Brückenschläge zu weitergehenden Themen. Musik ist, wie die Sprache, eine Heimat, aus der man weder emigrieren noch vertrieben werden kann. So standen diesmal Gruppen aus der Demokratischen Republik Kongo, Ecuador, Syrien und Marokko auf der Bühne. Schüler des Adalbert-Stifter-Gymnasiums stellten unter Anleitung der whiteBOX-Atelierkünstlerin Stephanie Maier ein Video auf dem Gelände in ihrer ganz persönlichen Sicht auf das Thema Heimat her.
Zahlreiche Workshops begleiteten das Festival
Neben den Live-Konzerten waren eine ganze Reihe von Workshops auf dem Programm und am Sonntag, 16. Juli, trafen sich in einer Denkfabrik „Wo wächst was? – Jugend komponiert“ Komponisten und Jugendliche zu Fragen der Komposition und erprobten dies auch.
Den Anfang machte das Pestalozzi-Gymnasium, das mit seinen drei Orchestern 240 junge MusikerInnen vereinigt. Extra zusammengestellt aus Jugend- und Sinfonieorchester, gab es einen schmissigen Brahms zu hören. (Ungarischer Tanz Nr. 5) Anschließend zeigte sich die Junior Big Band mit seltener gehörten Swing-Arrangements („Moten Swing“, Bennie Moten und „Phat Cat“, Victor Lopez“) sicher in den Sätzen und frisch nach vorne spielend. Und auch die Super-Funk-Nummer „What is Hip“ von Tower of Power, in der großen Formation wahrscheinlich schwieriger als in der Originalbesetzung, haute gut hin. Aus Ecuador präsentierte die Musikschule Brass Band del Ecuador, die sich zur Aufgabe gemacht, mittellosen Schülern eine Ausbildung nebst Englischunterricht zu vermitteln, auf fünfmal Blech mit Tuba, zwei Trompeten, Waldhorn und Posaune feine impressive Intonationen bei Violeta Parras „Gracias a la Vida“.
Ein Auftragsprojekt ermöglicht durch die Castringius Kinder & Jugend Stiftung
Als Auftragsprojekt, ermöglicht durch die Castringius Kinder & Jugend-Stiftung konnte man dann eine utopisch-exotische Paarung erleben. Die Streicher des Pestalozzi-Gymnasiums uraufführten mit Verena Marisa am Theremin ihre Komposition „Morphology“. Das Theremin, auch in klassischen Kompositionen eingesetzt, ist ein frühes in den 1920er Jahren erfundenes Instrument, das ohne direkte Berührung gespielt wird.
Berührt werden in der Luft durch die Hände über dem Körper des Instruments elektromagnetische Felder. In drei Teilen kommentieren die Streicher die Sound-Ton-Gemische des Instruments, die manchmal an Filmmusiken früher Science Fiction erinnern. Im dritten Teil (Fear of Loss) geht das Ganze über Kommentieren und Kontern hinaus, es passiert etwas sehr Eigenartiges, geradezu Magisches: Im Zusammenklang meint man ferne Chöre zu hören.
Das Theremin influenziert und verändert den Klang der Streicher. Eine überraschende Suggestion. Der zweite Tag beginnt wieder mit den Youngstern. Der Jugendchor der Bayerischen Philharmonie charmiert mit einem ABBA-Medley aus „Money, Money, Money“, „Super Trouper“, „Mamma Mia“ und „Dancing Queen“. Das Jugendorchester begeistert!
Als Komposer und Artists in whiteBOX-Residence, die bereits am 3. April mit „I exist – nach Rajasthan“ im Technikum begeistert hatten, führten Iva Bittová und Marc Sinan in die Kunst der freien Improvisation. Iva Bittová mit Geige und Stimme ist eine weltweit ungewöhnliche und gefragte Performerin, die ihrer Stimme die Geräuschkulisse eines tropischen Regenwaldes zu entlocken vermag.
Sicher ein Highlight des Abends auch das Bayerische Jugend-Barockorchester- ein etwas anderes Jugendorchester.
Mit Werken von Heinrich Franz von Biber (1644-1704) und Martin Schneider am Continuo, verwandelte sich die nüchterne Halle in die innige Schau und den Gleichklang andächtiger Herzen. Die schwierige alte Aufführungspraxis erzeugt immer wieder eine feine, zerbrechliche Festlichkeit. Das war wirklich erwachsen gespielt! Aus Syrien kommt Abathar Kmash. Dort leitete er eine Musikschule. Zusammen mit Ehab Abou Fakhir, seiner Oud und der Geige seines Kollegen, kamen die beiden im Januar 2016 in München an und trafen den Sänger Mohcine Ramdan aus Marokko. Sie gründeten das Ensemble Jisr. Unterstützt werden die drei ebenfalls durch das Projekt „Musik schafft Heimat“. Ein toller Moment war, als Abathar Kmash mit dem Hackbrett-Jugendorchester Bayern (12 Hackbretter und Blockflöte) ein eigenes Stück dirigieren konnte. Musik schafft eben auch Freunde!
Weitere Informationen zu den Jeunesses Musicals LV Bayer e.V. und zum Jugendorchester- Festival AUFTAKT! finden Sie hier.