Mit offenen Ateliers vom 25. bis 27. November 2016 stellte die whiteBOX nun die 24 Künstler vor, die sich hier im WERK3 seit Mai dieses Jahres eingerichtet haben und die ersten waren, wie Martina Taubenberger, die Geschäftsführerin von Ateliers und Ausstellungshalle bemerkte, um hier mit provisorischem Baustrom den Anfang zu machen.
Neben den an drei Tagen geöffneten 14 Ateliers zeigten die Künstler Arbeiten zusätzlich in der whiteBOX und im Gastatelier. Zum Auftakt in der whiteBOX betonte Werner Eckart die Bedeutung, die die Kreativen für das Gelände seit den Zwischennutzungen Kunstpark Ost und Kultfabrik und jetzt um so mehr im Werksviertel haben.
Gerade wenn die Umwandlung des Geländes zwangsläufig dazu führe, dass vieles schicker würde, sei es umso wichtiger, dass die Kreativen dazu einen Gegenpol bilden könnten.
Im Gegensatz zu städtischen Atelierhäusern gibt es in den Atelierverträgen der whiteBOX keine Rotationsklausel. Anschließend übernahmen Sinan von Stietencron und Christian Engelmann die Rolle von zwei Moderatoren, die sich gegenseitig nur bestätigen konnten, wie gut sich das Projekt entwickele.
Dann ging es vom Talk zu den Nachrichten. Zu den Nachrichten gehörte, dass die befragte Geschäftsführerin Martina Taubenberger einen kurzen Ausflug ins Kreativwirtschaftliche machte und dem Publikum darlegte, wie gefördert werden kann, vom Groß-Sponsor bis zur Flurpatenschaft über einen Quadratmater für jährliche 96.-.
Christian Engelmann empfahl da die Toilette zu nehmen, um nicht nur zu besitzen, sondern auch zu sitzen zu können. Von Christian Engelmann, der auch in seinen Arbeiten für knochentrocken-bösen Humor bekannt ist, konnte auch nur die Flagge unten am Eingang sein.
Neben dem sanft und pastellfarben pulsierenden whiteBOX-Leuchtkasten war ein kleines Sternenbanner auf Halbmast aufgepflanzt, das sich beim Annähern über einen Bewegungsmelder trotzig aufplusterte und wieder in sich zusammenfiel. Ein lakonischer Kommentar zur US-Wahl. Während oben bereits das Essen der Volksküche München, die sich in der Flüchtlingshilfe und für Obdachlose einsetzt, eingetroffen war, saßen die Gäste bereits vor den Videos, hatten sich der Kopfhörer bedient, um sich auszuklinken, ein großer Teil brach auf in die Ateliers. Natürlich, das Essen war vegan.
Später spielten dann noch Ute Heim & ihr Prairieorchester, gefolgt von Hase liebt Mören, die auflegten. Ein sehr aufwändiges Arrangement, was in den folgenden Tagen auch noch zahlreiche Besucher zu den Führungen brachte. Neben den schrägen Explosionen des Malers Robert Weissenbacher, die malerisch die Flure beherrschten, fiel auch „Fluß“, das erste Bild von Youjin Yi auf, ihr erstes Bild, das sie hier im Werksviertel gemalt hat und gewissermaßen eine Ankunft darstellt. Ein Ankunft, die so gesehen, nie die gleiche sein sollte. Kristin Brunners Gobelinartiges Märchen war von Anfang an sehr präsent, weil es den Hintergrund zur einführenden Talkrunde darstellte. Auch hier zeigte sich in der Atelierführung tags darauf wie der Blick hinter die Kulissen die Rezipientensinne schärft. Ihre Welt der vorchristlichen Mythologie Mexikos mit Halbgöttern, Skeletten, Trickstern und Ogunen, die im Jenseits herumirren und vorbeiirren an den Dingen der Welt, ist von einer wunderbar Appetit anregenden Komik.
Das Jenseits sei so wie hier, bloß umgekehrt, sagt man laut Kristin Brunner in Mexiko. Dort, im Jenseits, scheinen es die Halbgötter zu sein, die am Leben vorbei laufen, ohne es zu erkennen. Und wir, hier im Diesseits? Einiges glauben wir aber schon erkannt zu haben in der Vielfalt.
Ein Schluck Wein bei Ugo Dossi half auf die Beine. Ob der Wein die Gurgel rechts- oder linksdrehend hinabläuft konnten wir nicht klären, auch nicht die Frage ob dies Hemisphärenweise verschieden, beziehungsweise entgegengesetzt ist. Um einen Vortex herzustellen, einen Wirbel, wie man ihn im All auch um schwarze Löcher herum sieht, hat er sich seinen eigenen Mixer gebaut und ganz mystischer Demiurg, der er ist, dreht der dann mal so, mal so. Diese Vortices hat er nun gespiegelt und die Figuren beobachtet, die entstehen, wo der Wirbel in die Schwärze des Alls hinaus abreißt: Vögel, Habichte, Horusfalken. Eulenaugensterne über muskulösen Oberkörpern. Und die Löcher im All sind Ohren, verbunden durch Draht. Eine Momentaufnahme in einem Dialog, der im angehaltenen kosmischen Wechselstrom ein Figurenrätsel aufwirft. Dass das Gespräch zwischen zwei Menschen selbst wie ein ewiger Prozess von Annäherung und Entfernung ist, ein Einlassen und Verlassen, zeigt die eindringliche Videoarbeit „On Transition“ von Silke Witzsch.
Als Bild dient ihr der Tanz der Oberleitungen, aufgenommen durch das Fenster eines fahrendes Zugs. Tage scheinen vorüber zu gehen, Zivilisations-Bruchstücke jagen durchs Bild, manchmal geht es zurück in die andere Richtung, aber immer tanzen die die Leitungen auf und ab. Dazu sind Textfragmente aus Romanen von Paul Auster, Don DeLillo und Siri Hustved unterlegt. Was soll man tun, wenn man nicht zusammenkommt – man unterhält sich. Am besten in der whiteBOX.
Martin Rosenthal muss man in seinem Atelier besuchen, zu aufwändig ist seine 3-Kanal Videoinstallation, um umgesetzt zu werden. Zu zwölf Gedichten, die in Tonfall und menschlich naivem Blick auf das schwarze All, das nicht einmal von Myriaden von Sonnen erhellt werden kann, etwas von Kosmogonien haben, aber auch einen ewig wiederkehrenden Abgesang in sich tragen, hat er Raumbilder entwickelt. Er erzählt, argumentiert scheinbar, berichtet von Auf- und Untergang, fällt in homerischem Gleichklang, in Alliterationen und in Kinderschüttelreimen durch das All, zusammen mit dem Luftballon Erde, der mit hundert Mach durch das Multiversum rast.
Dieser Luftballon, der im Vergleich zum Universum kleiner als ein Staubkorn im Vergleich zur Erde ist, zeugt vom Menschen bestenfalls mittels Plastikstühlen, die wie Weltraummüll kreisen. Im Maikäferlied fliegt ein Papierflugzeug durch unbehauste Welten. „Flieg hoch und flieg weit…flieg über die Zeit…in die Herzen der Kinder…in die Seelen der Welt, und erzähl ihnen die Geschichte vom großen Geist und dem Geld“. Ein Maikäfer, der durch das All brummt, eine Weltformel beschreibend, die in den Herzen der Kinder war. Die Welt zu verlassen, den blauen Luftballon.
In Pakt der Ferne heißt es über diesen Luftballon: „Zu jung, zu unerfahren und zu dumm. Wohl eher hoffnungsvoller Spross und Nukleus erwachender Futuren. Ein erster Keim im Weltenschleim, ein Stachel tief im Fleisch der alten Multiversen, vergiftet mit dem Lebenskeim irdischer Kontroversen.“ Ein großer Cantus.