Am Mittwoch, 12.Oktober, fand im Rahmen der Ausstellung „Geheimnis – ein gesellschaftliches Phänomen“ der Stiftung Nemetschek in der whitebox (noch bis zum 30.Oktober) „Das Ende der Demokratie? Lesung und Gespräch“ im Gästeatelier statt. Yvonne Hofstetter und Konstantin von Notz antworteten auf Fragen des Moderators Friedemann Karig – aus dem neuen Buch von Yvonne Hofstetter, „Das Ende der Demokratie“, las Peter Weiß. Inwieweit gefährdet die Digitalisierung unserer Welt die Demokratie?
Mit Hofstetter und Notz waren zwei Persönlichkeiten auf dem Podium, deren Expertise in dieser Thematik außer jedem Zweifel steht. Yvonne Hofstetter ist Geschäftsführerin der Teramark Technologies GmbH in Hallbergmoos, wo über Artificial Intelligence (AI) und kybernetischen Steuerungen geforscht wird. Bereits 2014 erschien von der BigData-Unternehmerin „Sie wissen alles“, das letztes Jahr in die Bestsellerränge aufstieg. Ermuntert hatte sie der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. „Sie müssen ein Buch schreiben. Sie wissen, wie die Systeme funktionieren. Ihnen glaubt man – ich hingegen bin nur Beobachter.“
Der Jurist Konstantin von Notz, seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages (Bündnis 90 / Die Grünen) gehörte als Obmann der „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ an ist derzeit ebenfalls Obmann im „NSA-Untersuchungsausschuss“ und im „Ausschuss Digitale Agenda“.
Peter Weiß liest aus dem Anfang. Wer über einen sich leicht fiktional gerierenden Einstieg rund um Kybernetiker Scott und sein Baby, den Supercomputer Ai und seine Kollegin „Kontrollstrategie“ hinweg ist, erfährt seine erste Offenbarung in einem einfachen Satz: „Smartphones sind Messgeräte, mit denen man auch telefonieren kann.“ Der Miniaturcomputer mit (…)“Kamera, Beschleunigungsmesser, Mikrofon, Licht- und Geopositionssensoren und Software-Beacons, die den exakten Standort des iPhone-Nutzers auch innerhalb geschlossener Räume erkennen und weitermelden, erhebt zahllose Messdaten seiner Besitzer – und speichert sie in der Cloud, der „Rechnerwolke“ aus fremden Computern, die nicht mehr uns selbst, sondern den globalen Technologiegiganten gehören.“ 2007 präsentierte Steve Jobs, von den ekstatischen Schreien seiner Zuhörer rituell unterbrochen, das iPhone und markierte damit ein Jahr vor der Lehmann-Bankenkrise, den Einstieg in Big Data und damit den Übergang zum Datenkapitalismus mit seiner Industrie 4.0 nach den Kapitalismusphasen Grund (Boden), Güter und Kapital (Hochfinanz). Etwas fiktional, aber im Sinne einer hochwahrscheinlichen Möglichkeit, wird eingangs Scott´s Supercomputer „Ai“ gezeichnet. Das Rad der Geschichte wird nur ein kleines Stückchen in die Zukunft gedreht. „Ai“ ist ein rein algorithmisch strukturierter Meta-Lerner, der seinerseits mit der ebenfalls algorithmisch aufgebauten „Kontrollstrategie“ korrespondiert. Seine Funktion soll sein, als künstlicher Politiker die Gesellschaft Europas zu steuern. Seine Daten bezieht er laufend aus dem Internet of Everything, das dem Internet der Dinge und dem Smarthome folgte. Ai entwickelt aus dem vorhandenen Daten-Überfluss seinen eigenen Programmcode, die Ketten der Algorithmen tauchen ab ins Subsymbolische und es besteht die Gefahr, dass sie sich der Lesbarkeit entziehen.
Neben einer Zukunftsmusik, die man schon von Fern hören kann, beschreibt Hofstetter eindrücklich und didaktisch klug aufgebaut die bereits Wirklichkeit gewordene digitale Transformation. „Umgebungsintelligenz“ ist dabei, unser Leben zu bestimmen, die Daten des Smarthomes erstellen Profile des Konsumverhaltens, der Gesundheit, des Lebensrhythmus und der sexuellen Vorlieben, Facebook liefert private Verfehlungen und diese Daten können an Krankenkassen oder Arbeitgeber verkauft werden . Der Mensch gerät in eine Mensch-Maschine-Unschärfe. Diese Probleme beschäftigen den Bundestag und die EU. Einen großen Teil des Gesprächs machten so die rechtlichen Probleme der digitalen Transformation aus.
GAFAM, Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft bieten Dienste und Anwendungen mit denen sie Daten sammeln. Ihre Geschäftsmodelle unterliegen nicht dem europäischen Recht. Als Monopolisten des Datenkapitalismus sind sie nicht zu belangen, weil das Datensammeln ja kostenlos ist. Alle diese Firmen und ihre Töchter, wie selbstfahrende Autos oder der Taxidienst Uber, kommen aus dem Silicon Valley. Deshalb wäre es nach von Notz letztlich notwendig, diese Geschäftsmodelle abzulehnen und ein europäisches Internet mit europäischen Suchmaschinen aufzubauen. Oder wie dies bei Google China geschah, wo Zensurkriterien in den Programmcode eingeschrieben wurden.
Man wird allerdings in dieser Hinsicht nicht gerade optimistischer, wenn man dann liest, dass die SPD für ihren Wahlkampf 2017 Jim Messina engagieren möchte, jenen Mann, der mit Daten der Umgebungsintelligenz vor acht Jahren den Wahlkampf mit Obama gewonnen hatte. Damals wurden straßenweise die Neigungen der Wähler ermittelt. War ein signifikantes Merkmal Tierliebe gegeben, wurden dort Ideen zum Tierschutz verteilt. Ein weites Feld. Selbst der Digital Native staunt. Dieses Buch schlägt dem gedruckten Wort eine große Bresche. Es umreißt die Problematik aus vielen Blickwinkeln ganz hervorragend. Historisches der Währungspolitik seit der Konferenz von Bretton Woods (1944), ein Zukunftsszenario Frankreichs nach dem Wahlsieg von Le Pen 2017 mit der Einführung des digiFranc, gescheiterte Digi-Währungen Modelle wie der Bitcoin in Second Life, und immer wieder politische Theorie von Hannah Arendt, unter anderem mit einem sehr interessanten Gedanken zur Funktionsweise des Nazitotalitarismus in seiner Behördenstruktur.
Komplexität darf uns nicht einschüchtern. Manchmal bleibt einem aber nur Kopfschütteln. In diese Tage fällt die Meldung, Tesla gibt sein selbstfahrendes. emissionsfreies, elektrisches Model S bekannt: als Leichenwagen!