An drei Abenden, vom 21. bis zum 23. März, wagte sich das Meta Theater in Kooperation mit dem Werksviertel Kunst in der whiteBOX in einer szenischen Bearbeitung an das wohl berühmteste Langgedicht des 20. Jahrhundert, „The Waste Land“, von T. S. Eliot. Im englischen Original.
In Originalsprache hätte daraus auch eine abrundende Abschlussperformance eines Anglistik-Symposiums werden können, wenn Axel Tangerding vom Meta Theater (Regie), Martina Taubenberger (Dramaturgie) und Louis Panizza (Bühne) sich nicht redlich bemüht hätten, diesen Aufbruch in die poetische Moderne aus wissenschaftlich selbstverliebter Philologie herauszuhalten.
Wobei traditionelle deutsche Anglistik mehr zu Eliot´s King-Artus-Bezügen und Shakespeare-Formeln sagen könnte, wesentlich weniger jedoch zu anglo-irischen Texten von Ezra Pound und James Joyce.
Beide Poeten spielten nämlich eine große Rolle in der literarischen Entwicklung des innerlich zerrissenen Eliot, der in St. Louis, Missouri geboren, 1927 britischer Staatsbürger wurde und der anglikanischen Church of England beitrat.
Auch Zerrissenheit, mindestens Ambiguität, besteht im Text des Langgedichts selbst zwischen dem, was „The Waste Land“ attestiert wurde, nämlich ein Aufbruch in die Moderne zu sein, und Eliot´s Rückbesinnung auf Christentum und Offenbarung der Antike.
Während die expatriierten Joyce (Exiles) und Eliot vieles eint, wie die Erfahrung der Jahrhundert-Katastrophe des 1. Weltkriegs, trennt sie doch auch einiges, wie ihre Haltung zur Bourgeoisie.
Bereits 1918 lernte Eliot als Assistant Editor von Zeitschriften Joyce kennen: „Portrait of the Artist“ erschien in „Egoist“, ein Jahr später las er Auszüge aus „Ulysses“ in einer Serienveröffentlichung in „Little Review“. 1922 erschienen beide Jahrhundertwerke, „The Waste Land“ und „Ulysses“.
Die 1920er Jahre waren die Zeit der Dichterfürsten. Der irische Dichterfürst Ezra Pound hatte sich des 54seitigen Manuskripts von Eliot angenommen, das Werk hoch gelobt und es um zwei Drittel gekürzt.
Immer noch ein Langgedicht, war es aber kein dramatisches Gedicht. Zwischen Schiller und Heiner Müller nimmt es bis heute eine Sonderstellung ein, die eine szenische Umsetzung höchst schwierig macht. Was ist der Raum, wo ist der semantische Raum, welche Interaktionen lassen sich auf der Bühne finden.
Während sich die Figuren von Ulysses durch den Raum einer Stadt bewegen, innerhalb eines Zeitraumes, figuriert Eliot mit den Mitteln des poetischen Klanges Bruchstücke aus allen möglichen Zeiten, Kulturen, Orten. Während Joyce nicht wie Odysseus aus dem Meer heraus, sondern im Strom des menschlichen Bewusstseins die Stadt gründet, eine Topographie des Denkens riskiert, entlang derer er dem konkreten Menschen begegnet, zerbricht Eliot in seiner konservativ getönten Ernüchterung die Referenzen oder er findet nur noch Bruchstücke. Keine Chronologie, die Zeit ist unerlöst, die Offenbarung ist in der Geschichte versunken. So gesehen könnte man meinen, es wäre leichter, „Ulysses“ auf die Bühne zu bringen als „the Waste Land“.
Dem hatte sich die Truppe in der whiteBOX zu stellen und hier trifft wieder zu, um es mit Beckett zu sagen, der Weg des Künstlers ist, ein ums andere Mal besser zu scheitern. Eliots Cantus vom eigenen Scheitern, als einem Scherbenhaufen der Zivilisation, darin steckt tatsächlich eine christliche Sühnegeste.
Nicole Kleine gelingt es, die deklamatorischen Fesseln coram publico abzureißen. Zu den Klängen des einfühlsamen Ardhi Engl dreht, tanzt, windet sie sich auf Eliots Sprachfittichen, verzweifelt, lacht. Sie verliert, sie gewinnt zurück, sie schreitet fort von Abgrund zu Abgrund, ohne dass ihr Chronos ein Zeitfenster zur Flucht öffnet. Das ist wohl im Sinne Eliots.
Axel Tangerding sorgt mit verwaltungstechnischer Beflissenheit für einen eisfreien Bürgersteig. Es endet in Eis und Rollsplit.