Die Freilichtbühnen-Saison auf dem Knödelplatz ist eröffnet. Kostenlos für die Besucher, präsentieren die Organisatoren der Eventfabrik bis zum 29. Juli 2023 in Summe 13 Bands, Live-Music-Acts, Street Dance, Swing-Orchester, Bauchredner und Zauberin, Theaterakademie August Everding und Perkussionisten des BRSO in einem neuen Bereich des Platzes – hinter der Werksbar – der jetzt genutzt werden kann.
Den Anfang machte am Donnerstag, den 20. Juli 2023, „The Ferocious Few“, ursprünglich aus San Francisco, derzeit mit Homebase in Luxemburg. Sie hatten bereits beim WinterWunderWerk auf sich aufmerksam gemacht. Francisco Fernandez und Daniel Aguilar, zurück von einer Tour in Kroatien, hatten sich da spontan für die Live-Bühne im Schneeregen angemeldet und für verblüffte Begeisterung gesorgt.
Diesmal reisten Francisco Fernandez (voc, guitars) aus Luxemburg und einer seiner Tour-Drummer, Ed Ditch, aus Irland an. Als Vinyl-Scheibe brachten sie die neue LP „Getting Strange“ mit. Sie spielten allerdings auch viele Songs aus einem reichen Repertoire von 120 Songs. Wer das Duo für eine beschauliche, kleine, nachdenkliche Formation halten mag, wird hier vom ersten Griff an vom Gegenteil überzeugt: Es ist gewaltig, intensiv, melancholisch, anklagend, aggressiv. Americana Rock der Gegenwart, der in sich alles verarbeitet hat, was ihn als einen wahrlich aktuell packenden New Rock n´Roll auszeichnet: Blues von Screaming Jay Hawkins bis Iggy Pop, Punk in der Travestie des Rockabilly, Emanzipatorisches von Woody Guthrie bis Bob Dylan, „Blue Collar“ von heute, Melancholie und Verzweiflung von Johnny Cash, Legenden des Absturzes wie bei Lucinda Williams bis hin zu halluzinogenen Atmosphären à la Tom Waits oder James Blood Ulmer.
Für das Duo geht es 2005 von der Straßenmusik und den kleinen Bars schnell zu größeren kalifornischen Bühnen-Venues wie „The Great American Music Hall“, der „Saratoga Mountain Winery“, „Bottom oft the Hill“ und „The Independant San Francisco“. 2007 waren „The Ferocious Few“ sogar Opener von Steve Miller und Joe Cocker. Francisco Fernandez entwickelte wie andere berühmte linkshändige Gitarristen besondere Techniken. Bei konstant durchschlagender Schlaghand spielt er auch solistisch einzelne Saiten, was die Melodie in eine seltsame Sphäre entrückt und was an dramatischen Stellen suggestiv wirkt. Wenn er die Melodie ins Mikrofon pfeift, dann wird’s brisant und es steht normalerweise ein Ausbruch bevor. In den reichen Texten flüstern Dämonen („Me and the Devil“), brechen Monster aus, Drogen- und Industriegifte („Gasoline and Cocaine“) zerrütten. Davonlaufen oder sich aufgeben („Run run run“, „Lord oh Lord“)? Drummer Ed Ditch wird aus sanfter Begleitung immer wieder herausgerissen, und in einen rasenden Shuffle-Aufgalopp getrieben. Fernandez´ Stimme wechselt dabei von einem klagenden, gestrichenen Ton zu wildem Schreien.
Es ist Musik, eine wichtige Stimme aus der Provinz des Menschen, eine Conditio Americana. „Me and the devil we´re on the same level now“. Am Schluss gibt es Zugaben, die das Publikum in eine wieder heilere Welt zu entlassen scheinen. „Lay Lady Lay“ und „Get Back“. Aber nein, so entlässt uns Francisco Fernandez nicht: „Loc´d out“ hat als Mittelteil oder Bridge eine verstörende, ortlos irrende Gitarrensequenz, die aus einer David Lynch-Dystopie sein könnte. „Loco“ oder verrückt, wie die Leute in Mexico sagen.