Der Flohmarkt ist beliebt seit dem Mittelalter. Dass man sich mit der fürstlichen Second-Hand-Ware auch Flöhe einhandeln konnte, dürfte heute keine Überlegung mehr wert sein, der Flohmarkt-Boom ist ohnehin ungebrochen.
Mit der Flohmarktreihe „Midnight Bazar“ ist am 16. und 17. Juni auf dem Gelände des Werksviertels Mitte ein neues Label in der Floh-Szene in Erscheinung getreten, das Stöbern, Flanieren und Imbisse sehr smart in das Entertainment lauer Sommernächte überführt. Das war nicht immer so: In den 1990er Jahren waren es die Wochenend-Flohmärkte, die end-beseligte Trance-Jünger der vorherigen Nacht vormittags um 10 Uhr über tausende anatolische Badarmaturen und Handyschalen, die am Boden ausgebreitet waren, stolpern ließen. Die Idee, den Flohmarkt mit der Nacht zu verbinden, kam Anfang der 2010er Jahre auf mit dem Unternehmen „Nachtkonsum“. Zahllose Nachtflohmärkte in der TonHalle, auf denen kurioses und nostalgisches Haushalts-Glump seine Sammler fand, folgten.
Während der Nachtflohmarkt in die Nacht eingebettet war, führt der „Midnight Bazar“ im Freien in die Nacht mit wunderbaren Lichtstimmungen an diesen längsten Tagen des Jahres. Alle Register des Life-Style und des Entertainments, über das die feste Struktur des Werksviertels verfügt, öffnen und ziehen sich im Verlauf des Abends wie von selbst. Eine Amüsements-Plazenta, die sich um die müde werdenden Flaneure schmiegt. Alles brechend voll, Khanittha, Riederstein, die Cafés. Vor den Clubs sind Außenbars aufgebaut, die WERKsbar pulsiert und verströmt ein bisschen St. Pauli-Feeling, der Schlagergarten Tony-Marshall, das Riederstein dudelt den Zwiefachen, das Gin City plätschert und lounged. Fehlt nur, dass ein überdimensionales Stofftier mittendrin ab und an den Maßkrug hebt und „Werksbräu“ röhrt.
In den hübsch gestalteten Abteilen des Bazars liegt der Schwerpunkt auf Billigschmuck und erschwinglichen Klamotten-Teilen. Wahrscheinlich kaum günstiger als in der Fußgängerzone, aber hier ist alles lebendiger. Amateure sind genauso darunter, wie die coole Nadja, die einfach nur ihre ausgemusterten Jeans anbietet, daneben eine kitschige Ausgabe von Hesse´s Siddhartha. Evermann hat „runde, zugängliche“ Whiskys aus dem Schwarzwald und Vantopia hat einen seiner Miet-Vans geparkt, in den junge Paare eifrig einsteigen und Gaskocher ausprobieren.
Eine Live-Stage haben wir auf der „Place de la Quenelle“ – so würde der Knödelplatz auf Französisch heißen, nicht gefunden. Chansons gab es trotzdem zu hören. Für den 17. Juni hatte Valérie Tisserand das Duo NEL (Nadine und Laurent) zu ihrem „Atelier de Valérie“ auf den Containerplatz eingeladen. Um 15 Uhr hatte sich dort eine kleine französische Gemeinde versammelt. Nadine und Laurent (auch an der Background-Konserve) präsentierten einen bunten Strauß von neueren Chansons der jüngeren Pop-Ära wie „Manhattan Kaboul“, „Les filles d´aujourd´hui“ (2016 Joyce Jonathan, Vianney), Duette wie auch „Nos vies parallèles“. Für Brassens-Fans war auch was dabei: „Les chateaux de sable“.
Die charmante Valérie hat eine elegante Hand für ihre Schmuck- und Design-Kreationen. In letzter Zeit arbeitet sie auch in Bronze. Zarte dünnwandige Trompeten-Gewächse. Für Jane Goodall, anlässlich des „Prix International Pour Les Enfants“ (Stiftung Otto Eckart), zu Ehren der großen Naturforscherin, hat sie den Entwurf gemacht.
Mittlerweile hat sich aber auch der Containerplatz gefüllt. Die Imbiss-Wägen arbeiten auf Hochtouren. Quer durch den Platz ziehen sich die Warteschlangen zur „Luca-Pizza“, frisch mit eigenem Ofen, zum Crépes- Asia-, Sansibar-Stand oder zum veganen Falafel-Gericht. Auf den Rooftops sieht man Menschenknäuel in bester Unterhaltung. Die Nacht kann beginnen…