So schön, war unser erstes Kultival! Jámas, Jássas, und überhaupt Kalisperasas beinander! Eine weitere Deklamation der Verbundenheit hieß am 10. Juli auf dem Gelände des Werksviertel-Mitte: „Zamas“. – Hinter dieser Wortschöpfung verbarg sich ein tolles Kulturfestival ohne altphilologische Sehnsuchts-Projektionen, ohne eine Entrückung der Iphigenie, eher mit Blick auf Makedonien und seinen Freiheitskampf im Osmanischen Reich bis hinein zum modernen Griechenland.
Dafür hatte man sich einen bayerisch-hellenischen, wunderbaren Weißblau-Sonntag ausgesucht. Volkstänze aus der Vielvölker-Metropole Thessaloniki machten am Mittag den Auftakt, den Schluss gestaltete DJ BalkanSistas. Die bayerisch-griechische Trinkfreundschaft ist ja absolut unverbrüchlich und die griechische Gastronomie in München, das schon mal zu Zeiten eines Wittelsbachers, Otto, König der Griechen den Beinamen Isar-Athen hatte, stellt eine nicht abreißende Erfolgsgeschichte dar, seit in den 1970er Jahren in der Kellerstraße, in Haidhausen, das erste Restaurant eröffnete, wo die Gäste zunächst in die Küche geführt wurden, um für ihre Wahl zuerst in die Töpfe und in den Ofen zu gucken, was die Abendschau damals zu einem eigenen Bericht inspirierte.
Auf die bayerisch-griechische Trinkfreundschaft
Für Panos Doumakis, der als Architekt für das Werksviertel schon das Container Collective entworfen und Martin Schütz von der Stiftung Otto Eckart, der uns zahlreiche Jugend-Kinder-Festivals JuKi beschert hat, war es aber an der Zeit über den Tellerrand hinauszuschauen. Heraus kam eine didaktisch unterhaltende Mischung kreativer Genres von Tanz, New Folk Rock, Film bis zu Art & Design. Eine gute Unterlage brauchte man aber für den Tag. Vor dem Standl mit Souflaki im Brot (Dragasias Foods) hatte sich schnell eine Schlange gebildet. Für zuhause nahm man sich erstklassiges Olivenöl und Olivenseife von ApoKardias mit und Trockenfrüchte und den besten Honig gab´s bei Antonios Gerasimidis.
Historie im Comic-Gewand
Wiewohl dieser hellenisch schöne Tag zum Flanieren im Freien einlud, hat es sich aber auch für die, die sich Vorträge und Filme im WERK7-Theater anschauten, gelohnt. Vor allem beeindruckte die Graphic Novel „Aivali“ des in der griechischen Presse wohlbekannten Cartoonisten Soloup, der in seiner Bildgeschichte der griechisch-türkischen Zwangsumsiedelung (1922) als Protagonist Antonis firmiert. Das historische Ereignis dieses Populationsaustauschs, der 1,2 Millionen anatolische Griechen zwang, türkisches Gebiet und 400.000 Muslime zwang, griechisches Gebiet zu verlassen – etwa eine Schilderung der kleinasiatischen Katastrophe nach dem griechisch-türkischen Krieg als Comic? Nein, eine ernste Geschichte mit dem Strich und Gestus des Comics, und der spürbaren Erfahrung, dass gerade solche Annäherung an eine menschliche Katastrophe einen mehr in den Bann zieht als gemeinübliche, mediale Präsentation. The Guardian schreibt: „There is no hollow empathy found there“.
Ausstellung im WERK12
Gerade in unseren Tagen machen diese Bilder, die im WERK12 in der Ausstellung „Kunst & Design“ zu sehen sind, bewusst, wie der ununterbrochene, lebendige Fluss der gezeichneten Erzählung die Opfer in eine historische schützende Imagination kleidet und nicht im fotografischen Akt des Status quo entblößt und die Körper ihrer Geschichte beraubt. Man kennt zur Genüge die Talk-Runden-Bilder, die das Faktische festschreiben (normative Kraft des Faktischen) und kurz sprachlos machen, bevor der Talk losgeht. Allerdings kann man für Gegenwarts-Gewalt nicht dasselbe geltend machen, was der historische Abstand zulässt. Die sehr gute Ausstellung „Art & Design“ mit acht griechischen Künstlern ist noch bis zum 15. August im Parterre des WERK12 zu sehen.
Jazz trifft Folklore
Zurück am kleinen Platz des Container Collective treffen wir Dine Doneff mit Fotini Potamia, der Malerin und Fotografin, die im WERK12 ausstellt. Der makedonische Komponist und Multiinstrumentalist ist in seiner jüngeren Zeit in München als Künstler des legendären Jazzlabels ECM und mittlerweile eigenem Label „neRED music“ sowie als Komponist für die Kammerspiele und zahlreichen Konzerten in seiner epischen Spielweise bekannt geworden. Wir lauschen dem George Tzoukas Jazz Trio mit George Tzoukas (pno), Chrisostomos Bouzakis (bass) und Manos Koutsonanos (drums). Sie sind Freunde aus Edessa. Wie überhaupt an diesem Tag eine größere Gruppe aus dieser Gemeinde in Makedonien da zu sein scheint. Das Trio zitiert in der abgeklärten Haltung des Modern Jazz die orientalischen, vielleicht phönizischen Skalen, die wir eher aus der Folklore, auch aus Syrien kennen.
Die griechische Rock-Revolution
Das absolute Gegenteil einer abgeklärten Haltung spiegelte der Film „Greek Rock Revolution“ (WERK7 theater) des Dokumentarfilmers und Journalisten Miguel Cano, der in Peru, Spanien, Indonesien, Palästina, Griechenland und Dominikanischer Republik gedreht hat. Alles Länder, neblig dümpelnd im Begriff des globalen Südens, Ausdruck einer für die westliche Kulturpolitik eher hilflosen Weise der philanthropischen Bekümmerung. Der Film zeigt am Beispiel von Bands wie Naxatras, Puta Volcano, Nightstalker, 1000 Mods oder Planet of Zeus, die in Athen, Thessaloniki oder Korinth tausende von Fans versammeln, was in Griechenland nach zehn Jahren der Krise mit immer noch circa 45% Arbeitslosen unter den jungen Leuten passiert ist. Zu der ungeheuren Energie, die sich aus dem Nirwana über diesen jungen Musikern ergossen zu haben scheint, verhalten sie sich ganz unprogrammatisch. Diese Musik spricht durch sich. Sie ist voller rhapsodischer Kraft, ist einfach da, – das Leben wehrt sich. In der Magmakammer des Rock wird epische Psychedelic, Folklore und Blues verschmolzen. „The more mainstream medias and industry didn‘t care, the more hardcore we got“, sagt ein Musiker von Nightstalker.
Musiker und Publikum im Fluss
Überprüfen konnte man einiges davon auf der Freilichtbühne: „Banda Entopica“, „Thrax Punks“ und „Koza Mostra“ einte diese eine musikalische, performative Haltung: Musiker und Publikum springen in einen Fluss. Es gibt keine dramatischen, bedeutungsvollen Breaks, über dem dunklen harten Beat kurven die solistischen Instrumente ohne Atempause, unablässig, alle Elemente der eigenen Kultur verbindend zu einem flirrenden Teppich: rhapsodisch. Auf diesem Teppich drehen sich ruhig und fast feierlich die Kreise des tanzenden Publikums.