Der Künstler Lapiz wohnt in Hamburg und malt auch viel in München. Zuletzt das Bild One Love im Werksviertel-Mitte, das seither für jede Menge Aufsehen sorgt. Wir sprachen mit dem Künstler über seinen Werdegang, Provokationen und den Wert von Liebe in unserer Gesellschaft.
Wie bist Du Street-Art-Künstler geworden?
Professionell arbeite ich seit circa sieben Jahren als Graffiti-Künstler. Eigentlich bin ich Biologe, aber ich habe irgendwann aufgehört diesen Beruf zu leben. Nebenher habe ich immer gemalt, und so bin ich auch nach und nach in die professionelle Street Art reingekommen. Seit ich in Deutschland bin, mache das nun hauptberuflich. Davor habe ich in Argentinien gewohnt, wo ich als Assistent von verschiedenen Künstlern auch Street-Art-Touren habe. Dabei habe ich auch gemerkt, dass man von Kunst leben kann und mir gedacht, das mache ich einfach auch. Meine ersten Auftragsarbeiten in München waren für Elly & Stoffl, ein Privatkindergarten an der Theresienwiese. Genau das war dann letztendlich auch die Initialzündung für meine Arbeit.
Wie entstand die Idee zu One Love?
Das Bild ist schon älter. Ich habe es tatsächlich schon 2018 während der FIFA Weltmeisterschaft in Russland gemacht. Damals waren Putin und Homophobie ein großes Thema, denn in Putin´s Russland gibt es angeblich keine homosexuellen Menschen. Er tituliert es sogar als eine ,Krankheit des Westens‘ oder irgendwie sowas. Es muss sehr schlimm sein, für Homosexuelle dort zu leben. Genau mit diesem Thema habe ich mich ich dann auseinandergesetzt, und das Bild erstmalig auf einem Festival in Lemwerder gemalt. Für das Motiv habe ich Regenbogenfarben verwendet und einen pinken Hintergrund gewählt, um eben genau diese Homophobie anzusprechen. In einem erweiterten Kontext ist es nun seit Mitte Februar wieder super aktuell geworden. Daraufhin habe ich das Werk hervorgeholt und es auch bei euch im Werksviertel-Mitte erneut gemalt.
Hast Du die gleichen Farben wie 2018 verwendet?
Ziemlich genau ja, nur die Hintergrundfarbe ist ein bisschen anders. Diese Magentafarbe hat mir Loomit vorgeschlagen. Nachdem ich schon ein paar Mal mit ihm zusammengearbeitet habe finde ich, dass er ein super Farbgefühl hat. Wenn der sagt: Nimm die Farbe, dann mache ich das auch. Die grauen Balken an der Seite sind auch ganz bewusst gesetzt. Dazu hat mich Flatz angeregt, denn er meinte ganz klar, dass dieses Bild von allen anderen Graffitis abgetrennt sein muss. Bei Street Art ist es ja oftmals so, dass die Motive ineinander übergehen, aber bei Putin geht das nicht. One Love alleine.
Wie lange hast Du für das Bild gebraucht?
Das ist immer schwierig zu sagen. Die meiste Zeit braucht man für die Recherche, und um sich zu überlegen wie das Motiv am Ende aussehen soll. Ich arbeite mit Schablonen, das heißt ich schneide alle Formen aus Papier aus. Bevor ich mich an die Arbeit mache, muss ich jedoch wissen wie das Bild schlussendlich aussieht, weil ich es dann nicht mehr ändern kann. Daher nimmt die Vorbereitung tatsächlich die meiste Zeit in Anspruch. Das Schneiden für One Love selbst hat vielleicht ein paar Tage gedauert, und für das Malen war ich drei Tage vor Ort.
Wie lange gibst du dir für die Recherche Zeit?
Das kommt drauf an. Manchmal habe ich eine Idee und denk ich mir: Ja ok, das könnte es sein. Dann muss ich das aber gegentesten und mir überlegen: Ist das wirklich das, was ich sagen möchte? Ist die Aussage auf den Punkt gebracht? Dazu kommt das Anlesen von Informationen. Bei diesem Projekt konkret weiß gar nicht, wie lange das gedauert hat. Ich kann nicht einmal sagen wann ich die Idee genau hatte, dass Putin sich selbst küsst. Anfänglich war es tatsächlich auch sehr schwierig Fotos zu finden, weil Putin nicht so einer ist, von dem es viele Fotos im Internet gibt, wo er irgendwen küsst. In In Summe gibt drei oder vier Aufnahmen, und die sind sehr creepy. Auf dem einen küsst er einen russisch-orthodoxen Patriarchen und bei dem anderen küsst er ein kleines Kind. Beides nicht so hübsch, und zudem war es schwierig Bilder zu finden, die auch wirklich aussehen als ob sie sich gegenseitig küssen würden. Das hat schon eine Weile gedauert. Wie viele Stunden oder Tage kann ich am Ende nicht sagen.
War es deine Intention mit dem Bild zu provizieren?
Ja, es soll vor allem Putin provozieren. Es soll sagen: Der Typ mag nur sich selbst. Das ist ein homophober Narzisst, der wird nur für sich selbst tun, was gut für ihn ist. Alle anderen sind ihm scheißegal. Zusätzlich habe ich mit den Regenbogenfarben und einem ganz pinken Hintergrund gearbeitet. Die Farbe wird in der Street Art nur wenig benutzt und hat immer noch eine Verbindung zu Homosexuellen. An dieser Stelle sei nochmal gesagt, dass der Typ Homosexuelle hasst und ich dachtge mir widerum: Ich mal den knallig bunt auf einem pinken Hintergrund und dann küsst er sich selbst.
Versteht jeder die Botschaft des Bildes?
Jein, ich habe mit dem Motiv schon Probleme bekommen. Das war in Berlin, wo es als Leinwandbild auf einem Kunstmarkt ausgestellt war. Da kamen ein paar Russen auf mich zu, und waren sauer, dass ich Putin in den Dreck ziehe. Auf Instagram habe ich die Kommentare ausgeschaltet, weil die negativen Aussagen zugenommen haben. Da fehlt es meiner Meinung nach am Demokratieverständnis. Es waren sehr viele sehr sauer, aber das war auch meine Intention. Andererseits gibt es auch viel positives Feedback. Als ich im Werksviertel-Mitte bspw. gemalt habe, war eine Russin da, die das Bild fotografiert und direkt auf ihren YouTube-Kanal gestellt hat.
Wie kam der Kontakt zu Loomit zustande?
Wir kennen uns und habe ihn gefragt, ob er einen Ort für das Bild weiß. Er meinte sofort, ich müsste das unbedingt hier im Werksviertel-Mitte malen. Ich bin sehr glücklich, dass ich das Motiv genau dort anbringen konnte wo es heute ist, denn das ist quasi der Highway. Da kommen alle dran vorbei.
Was bedeutet Liebe für dich?
Darüber habe ich tatsächlich ein bisschen nachgedacht, aber ich glaube Liebe ist vor allem Akzeptanz. Oder auch: Sachen in jemand anderem sehen, die man selbst vielleicht gar nicht mag, aber es trotzdem akzeptiert und wertschätzt. Ich glaube Liebe ist Wertschätzung, Ergänzung und Akzeptanz. So vieles. Ich finde Liebe ist so ein surrealer Begriff, aber irgendwie auch ein wunderschöner.
Welche Kraft und Bedeutung hat Liebe in unserer Gesellschaft?
Es ist ein Begriff, der im Marketing häufig verwendet wird. Ein Beispiel ist McDonalds: ,,Ich liebe es‘‘. Das ist totaler Quatsch. Der Begriff Liebe wird so inflationär verwendet, z.B. in Motivationssprüchen wie ,,Liebe das Leben‘‘. Liebe ist ein Wort, das jedes Mal, wenn es benutzt wird von seiner Bedeutung ein wenig einbüßen muss. Ich finde, das Liebe zu oft in den Mund genommen wird, ohne dass die Leute sich wirklich bewusst sind was er ausdrückt. Es ist halt so ein positiver, aber in meinen Augen oft fehlverstandener Begriff. Zu sagen ,,Wir lieben alles‘‘ ist totaler Quatsch. Ich liebe ganz bestimmt nicht alles! Ganz im Gegenteil es gibt viele Sachen, die ich gar nicht leiden kann. Aber ich glaube, sobald man Liebe nimmt und ihr etwas Kontroverses gegenüberstellt, sind die Leute immer irgendwie angegriffen. Man denkt, da kommt was Schönes und dann kommt was nicht ganz so Schönes. Aber das ist auch die Idee, wie Kunst funktioniert.
Welche Bedeutung sollte die Liebe in unserer Gesellschaft haben?
Der Begriff sollte geschützter sein. Gerade weil in der Werbung Liebe so häufig benutzt und das finde ich eigenartig. Im Spanischen gibt es das zum Beispiel nicht, denn te quiero heißt ,ich liebe dich‘ bedeutet aber mehr ,ich mag dich‘. Wogegen te amo wirklich ,ich liebe dich über alles‘ heißt. Spanier unterscheiden das sehr. Im Deutschen dagegen ist halt alles Liebe, von ,ja es gefällt mir und ich find das nicht total Scheiße‘ bis zu ,das ist das Allerwichtigste für mich‘. Das ist alles Liebe. Für mich einfach viel zu weit gefasst, für das was am Ende ausgedrückt werden soll.
Brauchen wir mehr Liebe in der Politik?
Auf jeden Fall! Wenn man von einer Sache überhaupt nichts hört, dann ist es die Liebe. Einen Politiker, der von Liebe spricht, gibt es ganz selten. Im Marketing wird der Begriff überverwendet. In der Politik dagegen unterverwendet. Hier geht es vorwiegend um Interessen, Diplomatie und das Image, wenn man etwas Falsches sagt. Mehr Liebe heißt nicht, dass sich die Politiker die ganze Zeit in den Armen liegen, sondern dass sie ihr Gegenüber einfach nehmen wie es ist.