Mira und Samira kennen sich schon seit fast 20 Jahren, sind sehr gegensätzlich, aber wussten schon in der Grundschule, dass sie sich einmal gemeinsam selbständig machen wollen. Dass ihr Herzensprojekt ein Vintagebrautmodenverleih sein wird, stand noch in den Sternen. Allerdings waren die Stärken schon damals klar: Die eine ist die kreative Geschichtenerzählerin mit Hang zur Romantik, die andere das eher strukturierte Organisationstalent mit Macher-Gen. Die perfekte Kombination auf dem Weg zu ihrem Laden „Liebeleih“ im Container Collective.
Ihre Geschichte: „Die Gina war unser erstes Kleid,“ erzählt Samira fröhlich und zeigt uns ein gepunktetes kurzes Rockabilly-Tüll-Kleid mit Jäckchen. Wir sitzen in einem Container, der in einem zarten Aprikotton gestrichen und mit Mid-Century Möbeln ausgestattet ist. Der wahrscheinlich wichtigste Part: Eine Kleiderstange mit über 100 Vintagebraut-kleidern, die darauf warten, künftige Bräute beim schönsten Tag ihres Lebens begleiten zu dürfen. Und zwar nicht nur eine Braut je Kleid, sondern im besten Fall ganz viele. Denn es handelt sich bei der Liebeleih um einen Vintagebrautmodenverleih.
Wir machen das jetzt einfach mal
„Wir machen das jetzt einfach mal“ – der erste Schritt und vor allem der Mut für Risiken stellen oft den schwierigsten Part dar. Die beiden Freundinnen haben im Winter 2020 den Ent-schluss gefasst sich mit ihrer Herzensidee selb-ständig zu machen. Unzählige Recherchestunden auf ebay Kleinanzeigen und Kleiderkreisel, 120 Brautmoden reicher und sechs Monate später, stehen die beiden in ihrem eigenen kleinen aber feinen, selbstausgebauten Brautmodencontainer. Die begrenzten Quadratmeter werden perfekt genutzt und bieten Platz für Ausstel-lungsraum, Umkleide sowie Büro. Und der Container ist das neue zweite Wohnzimmer der beiden.Samira und Mira sind berufstätig, arbeiten als Journalistin und als Set-Aufnahmeleitung und lieben ihre Jobs. Allerdings bestätigen beide, dass die Motivation sowie das „Brennen“ für ihr eigenes Projekt etwas ganz anderes ist.
Ein Vintagebrautmodenverleih – nachhaltig und kreativ
Ausschlaggebend für das Anpacken der Idee war auf jeden Fall der letzte Winter, der ja für viele die Motivation für einen Neuanfang war. Der zweite Lockdown, viel Zeit zum Nachdenken und vor allem zum Umdenken. Wenn sich die beste Freundin in der gleichen Lage befindet, man die Köpfe zusammensteckt und Traumschlösser baut und ein paar verrückte Ideen spinnt, kann so etwas dabei herauskommen. Die Grundidee, der Vintage-Brautmodenverleih, war geboren – und nach einem kreativen Brainstorming bei einer Autofahrt stand der Name auch fest: Liebeleih. Dann stand dem Projekt quasi nichts mehr im Weg. Den passenden Ort haben sie auch schnell gefunden: Im Februar gab es einen Open Call für die Revitalisierung im Container Collective. Da sie mit ihrer Idee sowohl die Kriterien Nachhaltigkeit als auch Kreativität erfüllen, konnten sie im Juni in ihren Container ziehen.
Ehrlich, authentisch und immer mit Prosecco im Haus
„Wir wollten es ganz einfach anders machen – wir finden es sinnlos, so viel Geld für ein Kleid auszugeben, das man nur an einem Tag anzieht. Wir lieben die Idee und den Gedanken der Hochzeit. Ein Tag ganz im Zeichen der Liebe. Doch muss es definitiv nicht so teuer und verschwenderisch sein,“ erklärte uns Mira. Das Prinzip des Suchens, Anprobierens und Kaufens eines Secondhandkleids war in ihren Gedanken eher unsexy und nicht mit diesem Erlebnis, das sie bieten möchten, vereinbar. Ihr Konzept sollte das ändern. In ihrem Laden können die Bräute mit ihren Liebsten vorbeikommen, Pro-secco trinken, sich auf die Hochzeit freuen und so viele Kleider, wie sie möchten, anprobieren. „Wir sind kein typischer Brautmodenladen und auch keine typischen Brautmodenverkäuferinnen – aber genau das macht uns aus. Wir haben das nicht gelernt, sondern wir machen das frei Schnauze, hüpfen jeden Tag ins kalte Wasser und lernen dazu. Und machen alles eben so, wie wir es denken, so wie wir es fühlen. Ehrlich, authentisch und immer mit Prosecco im Haus,“ fasst Mira zusammen.
Der schönste Liebeleih-Moment
Prosecco wurde auch getrunken, als die beiden von ihrem bisher schönsten Liebeleih-Moment erzählen. Da war der Laden eingerichtet, ein paar Freunde waren vor Ort, und es war in diesem Augen- blick, in dem die beiden realisiert haben, dass sich innerhalb von sechs Monaten ihre Idee durch viel Arbeit und Herzblut in einen gelebten Traum ver-wandelt hat. Stolz haben sie sich immer wieder zu ihren Schätzen umgedreht und dann im Sonnenun-tergang ein paar Tränchen vergossen. Die Schätze, ihre Kleider, tragen Namen. Und zwar die Namen der Frauen, die in den Kleidern geheiratet haben, die den Kleidern ihre Geschichte gegeben haben.
Jeder Name ist eine Liebesgeschichte
Oft, fahren die beiden zu den Frauen, die sich bei Ihnen melden und ein Braut-kleid haben. Deren eigene Hochzeit hat nicht selten vor über 50 Jahren stattgefunden. Durch das Braut-kleid wird alles wieder lebendig und sie erzählen Samira und Mira von ihren ganz persönlichen Liebes-geschichten. Gina, Frida, Heidi oder Carla – mit den Kleidern werden ihre Geschichten weitergegeben, weitergeschrieben und auch weitergelebt. Dieser Gedanke zaubert sowohl den beiden als auch den vielen Frauen ein wunderbares Lächeln aufs Gesicht.
Der Wert: Verantwortungsvolles Umdenken
„Die Werte, die uns bei unserer Idee begleitet haben, sind natürlich Liebe, Authentizität und Persönlichkeit. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt dabei selbstverständlich auch eine Rolle, allerdings haben wir die Nachhaltigkeit weitergedacht, ihr einen anderen Begriff gegeben: Verantwortungs-volles Umdenken“ erklärt uns Mira. Teil dieses Umdenkens ist es eben kein Kleid für mehrere tausend Euro zu kaufen, das nach dem großen Tag im Schrank einstaubt. Für die Kleider wurden auch viele Ressourcen benötigt. Deshalb ist es für die beiden umso wichtiger, dass sie oft getragen werden, damit sich die Ressourcen auch lohnen.
Die Liebe zum Detail macht’s
„Persönlichkeit und Authentizität sind sehr wichtig für uns. Es ist alles handverlesen – von den Brautkleidern über die Einrichtungsgegenstände hin zu den außergewöhnlichen Schmuckstücken. Wir stehen hinter allem, was man hier sehen, erleben und spüren kann. Wir wollen nicht nur für die Kundinnen da sein und ein Erlebnis bieten. Da wir so in unserer Arbeit aufgehen und dafür brennen, möchten wir auch selbst etwas davon haben.“Die erste Braut hat in einem Liebeleih-Brautkleid am 12. Juli 2021 geheiratet.
Das eigene Hochzeitskleid? Definitiv ein Secondhandkleid
Selbst verheiratet sind die beiden noch nicht. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ist aber klar, dass es ein Secondhandbrautkleid ist. „Mein Freund hat mich schon in 100 Brautkleidern gesehen. Wenn ich heiraten werde, nehme ich sicher für das Standesamt eines von hier. Für die Trauung würde ich mir ein neues Secondhandkleid kaufen, das dann nach mir benannt wird und mit meiner Geschichte in unseren Laden kommt,“ erzählt Samira fröhlich. Dann haben die beiden mindestens ein Brautkleid mehr, mit einer ganz besonderen Geschichte.
Euer Lieblingsplatz in der Stadt?
Der Proberaum von unseren Jungs. Unsere guten Freunde, die wir seit vielen Jahren kennen, spielen in einer Band, deshalb verbringen wir viel und gerne Zeit dort. Wenn wir uns einen Stadtteil aussuchen müssten, wäre es Giesing.
Was gefällt Euch in Eurer Stadt am meisten?
Giesing, Giesing, Giesing – vor allem an der Isar. Hier hat man an schönen Tagen so ein ganz besonderes Sommergefühl. Und dass alle unsere Freunde in München sind. Das ist Heimat.
Was mögt ihr an Eurer Stadt nicht so gern?
Die Mietpreise, generell die Preise in München. Man bekommt viel dafür, muss sich München aber leisten können.
Zu welcher Zeit seid Ihr am liebsten in der Stadt unterwegs?
Laue Sommerabende inklusive Sonnenuntergang. Am liebsten leicht angetrunken von Prosecco