Im April dieses Jahres ist Ralf Dombrowski in ein Atelier, das er sich mit Margarete und Jakob Hentze teilt, im zweiten Stock des WERK3 eingezogen. Ursprünglich seit 1994 Musikjournalist bei der Süddeutschen Zeitung und von 2006 bis 2008 dort Leiter der Jazzredaktion im Feuilleton, hat Dombrowski auf allen medialen und vermittelnden Ebenen in Sachen Jazz gearbeitet, als Autor, Impresario und Produzent. Seit 2011 ist er außerdem begehrt als hervorragender Fotograf.
In den 1980er Jahren waren wir mehrmals pro Woche im Jazzclub „Domicile“ an der Leopoldstraße. Wir, die wir, inspiriert von Jimmy Hendrix, zu Weather Report und Herbie Hancock fanden und uns auf dieser ersten Aussichtsplattform begannen, umzuhören.
Die Jazz-Connaisseure der Nachkriegszeit, ihr Credo, ihr Tempel
Da standen wir am Eck dieser langen schwarzen Bar, in der Vera und Barbara wuselten, und warteten auf unser Getränk. Wir ließen den Blick schweifen über die berühmten Fotos von Sepp Werkmeister, die überall in diesem internationalen Jazzclub Münchens, eng gestaffelt in Leuchtkästen, wie ein honoriges Band der Größten die Wände auszeichneten. Für Ernst Knauff natürlich alle „Weltmeister“, und die gab´s auch wirklich immer wieder auf seiner Bühne mit der rötlich eingefärbten Skyline-Tapete von New York.
Wir ließen den Blick schweifen vom melancholisch in den Himmel blickenden Duke Ellington zu Idrees Sulieman, der die Backen aufblies wie Dizzy, und wieder zurück. Da stand jetzt das Bier und links von uns schenkte sich Großkritiker Baldur Bockhoff das erste Glas Korn mit einem Schuss Cola ein.
Da war Ralf Dombrowski noch ein Teenager, der aber bald Germanistik, Geschichte und Philosophie studieren sollte. Großkritiker Bockhoff (piano) und Gastronom Knauff (bass) unterhielten in den 1960er Jahren selbst ein Swingtrio, zusammen mit Peter Wortmann am Schlagzeug, der auch Jazzlokale in München hatte.
Das Glaubensbekenntnis der Insider, das klare Urteil darüber, wer swingt und wer nicht, war unverrückbar, in Stein gehauen. Das war ein „Zickendraht“. Man war einträchtig erstarrt in der Verehrung der Jazzweltmeister, die wahrscheinlich auch zum Ende von WW2 beigetragen hatten. Alles andere – Häresie.
Der very experienced Jazzfan im Schlepptau des Großkritikers arbeitete unerbittlich an der Apotheose des amerikanischen Jazz, jede Lebensregung bei Konzerten von Stride-Piano-Weltmeistern wurde „ausgezischt“, als hätte man sich beim Tristanakkord in Bayreuth geschneuzt.
So genau wußte man nie, was Jazz definiert. Die Grenzen haben sich trotzdem geöffnet.
Dieser Tage beginnt ein Artikel von Ralf Dombrowski, der gerade vom Jazzfestival Saalfelden zurück ist, mit den Worten, „In der Kunst geht es auch darum, was sein kann, nicht zwangsläufig, was sein darf.“ Ralf Dombrowski und seiner Generation ist es zu verdanken, dass das Image des verknöcherten Jazz-Proselyten nicht mehr dazu taugt, die Leute und vor allem die Jungen zu vertreiben.
„Experimente an den Rändern des Genres“, wie der Artikel übertitelt ist, sind nicht delikate Ausnahme, sie werden gesucht. So sucht auch der Fotograf, der sich derzeit mit Strukturalisten wie Roland Barthes und einem legendären Vordenker der neuen Linken wie Walter Benjamin beschäftigt, im Atelier nach neuen Formen den musikalischen Moment zu visualisieren.
Vorbei die analoge Zeit eines Sepp Werkmeisters, der mit der Rolleiflex seinem Objekt bis auf einen halben Meter auf den Pelz rücken musste. Vorbei die schattenlose Fotografie. Gerade von tiefem Schwarz umgeben, erscheinen manche Aufnahmen Dombrowskis, als wäre der Klang solchen Moments wie aus dem Urgrund eines kollektiven Erlebnis von Publikum und Kreateur emergiert.
Now’s the time
Es sind Fotografien, die unterstreichen, was seit den Hochzeiten der romantischen Symphoniker erkannt wurde, dass die Musik sich im Kopf des Zuhörers vollende. Ob Theodor Wiesengrund Adorno, der bei Benjamin noch mit seinem ursprünglichen Namen „Wiesengrund“ zitiert wird und der den Jazz noch energischer ablehnte als Wagner („Versuch über Wagner“), das eventuell revidieren würde, ebenso wie sein Urteil, dass Fotografie keine Kunst sei, weil endlos reproduzierbar, und ob dem das neueste Datenspektakel des „Non-Fungible-Token“ (NFT) etwas entgegensetzen könnte? Schwer zu sagen, leichter, was Jazz immer dazu sagte:
„Now’s the time“.
https://www.ralfdombrowski.de/fotos/
Dein Lieblingsplatz in der Stadt?
Die Isar, vor allem dort, wo die Auen grüner werden
Was gefällt dir an deiner Stadt am meisten?
Die Menschen, wenn man sie ein bisschen kennt
Was magst du an deiner Stadt nicht so gern? Was fehlt dir?
Die Tendenz zur Trägheit, zum Kommerz. Und es fehlt noch viel Raum, drinnen und draußen, zum gemeinsamen Leben
Zu welcher Zeit bist du am liebsten in der Stadt unterwegs?
Wenn der Abend dämmert und alles etwas weicher wird