Wir blicken zurück auf homegrOWN #4, die erste Indoor-Kunstausstellung seit mehr als einem Jahr im Werksviertel-Mitte, zu der Besucher nicht nur virtuell zugegen sein konnten.
Es war ein kurzes Kunstvergnügen: Bis Sonntag, 16. Mai 2021, konnte man im Gastatelier der whiteBOX im WERK3 die neuen Bilder von Robert Weissenbacher ansehen. Die letzten fünf Tage nicht nur mittels digitaler persönlicher Führung, sondern in Persona. Nach einer einfachen Terminverabredung (eventbride.de) stand dem leibhaftigen Besuch des Gastateliers im dritten Stock Tatsächlich nichts anderes mehr im Wege als Weissenbachers neue großformatige Bilder „Aus dem Lockdown“, an denen man nicht so leicht vorbeikommt.
Der Titel ist zwar wahr und berechtigt, aber ein bisschen hat er doch etwas Dramatisches. Jammern ist dem umtriebigen, wirbelnden Weissenbacher allerdings fremd, er ist eher eine Art lustiger Störenfried, ein Puck oder Trickster. Einer, der mit Tricks die göttliche Ordnung im Universum oder wenigstens die staatliche Ordnung im Hotspot durcheinanderbringt.
Bilder, an denen man nicht so leicht vorbeikommt
Mit der Halbwelt der göttlichen Gentry, den Dämonen des niederen celesten Adels, den zwielichtigen Begleitern der rackernden Menschen im Alltag hatte sich Weissenbacher ja während seiner Residency in Mexico schon auseinandergesetzt und schöne Fratzenköpfe gemalt, oft sehr gekonnt im kleinen Format, wie immer schnell und liquide in Eitempera. Aus Mexico zurück hatte er aber schon vor der Pandemie sich entschieden für sein neues Thema „Schmetterling und Feuer“.
Das anmutige Insekt, dessen Flügel wir als Kinder nicht berühren sollten, weil sie ihrer schützenden Staubschicht verlustig dann nicht mehr fliegen könnten, hatte es ihm angetan. Vielleicht wie diese Wesen, die bei manchen südamerikanischen Indianern auch als Psychopompoi, also Seelenbegleiter gelten, und durchs Feuer fliegen könnten.
So wie auch römische Genien, Seelenzwillinge des Menschen, mit der Geburt frei geworden als anonymes Geschwister, vorher umhüllend im Körper der Mutter, mit den Flügeln von Schmetterlingen dargestellt werden. Häufig ist es die Psyche von Toten, die Schmetterlinge verkörpern sollen. Unzweifelhaft ist die zwiefache Unterscheidung für die Schmetterlinge zwischen ihren Vertretern von Tag und Nacht.
Man denke nur an den Totenkopfschwärmer aus dem Film „Das Schweigen der Lämmer“, der der Geschlechtsverwandlung des Killers als Genius zu Diensten sein soll. Aber auch wer als Kind dem erbeuteten Pfauenauge nahe in die schwarzen, kugelrunden Augen ohne Iris geschaut hat, empfindet selbst bei diesem anmutigen Tierchen ein Schaudern.
Schmetterlinge und Feuer
Tag und Nacht hat Weissenbacher im ersten Bild, rechts am Eingang mit Falter und Schwärmer gegenübergestellt. Über beiden Exemplaren, relativ realistisch, zoologisch gemalt, wogt eine immense Fläche Rot. Ganz inhomogen mit unklaren Momenten in der Tiefe. Nicht flammendes, dramatisches Feuer, sondern das Feuer als Option, als Vorrat, als Farbe.
Die beiden Exemplare verharren unter dem Feuer der Farbe und werden sozusagen standesgemäß ihrer Funktion als Repräsentanten ihrer Spezies gerecht. Auf der gegenüber liegenden Wand sehen wir im nächsten Bild den Übergang einer seelischen Verschmelzung in einer Verbrennung der beginnenden Abstraktion.
Beginnend, noch ragt ein tagblauer Flügel aus dem Vorgang. Da ist Weissenbacher in seinem Element, Bewegung, Geste bestimmt alles und ist sicher in der Genauigkeit der Ungenauigkeit. Der Himmel über dem tachistischen Brand senkt sich ins Geschehen wie ein schwarzer Schnabel.
Annäherung an die Abstraktion
Dasselbe Thema sehen wir noch einmal auf der Rückseite des Gastateliers. Die Transformation ist hier genussvoller gehandhabt, die stark blauen Bewegungen, Konturen eines Organismus skizzieren geradezu pastos das Gerüst eines Körpers, in den das Feuer hinabtaucht wie eine Fisch mit cholerischem Aug.
Die Seele hat das Tier bereits verlassen. Reichlich mitgenommen, nur als Umriss macht sie sich aus dem Bild. Zwei verschiedene Annäherungen an die Abstraktion. Im ersteren Bild fast giftig, chemisch schmeckend, im zweitgenannten, sinnlich, genussvoll. Kraftvolle Seelenbilder, die die Mauern des Lockdowns souverän durchdringen.
Eine Übersicht der aktuellen und kommenden Veranstaltungen des Projekts Werksviertel-Mitte Kunst findest Du unter werksviertel-kunst.de