Noch bis mindestens Mitte Mai ziert ein bunter Fisch eine der Glasfronten im Foodcourt des WERK3. Wir sprachen mit dem Künstler Robert Weissenbacher über sein Kunstprojekt „Über/Eck“, seine Lockdown-Erkenntnisse und das neue Spannungsfeld von digitalem und öffentlichem Raum.
„Kunst und Künstler*innen befinden sich im Lockdown. Während sie gleichsam eingesperrt sind, ist das Publikum ausgesperrt. Das Publikum steht vor verschlossenen Museums-, Galerie- und Theatertüren. Die Menschen sind draußen und kommen nicht rein – die Kunst ist drinnen und kommt nicht raus.“
Die Aktion #kunstausbruch
Treffender, als wie es die Stiftung Kunst und Natur in ihrer Wettbewerbsausschreibung formuliert hat, lässt sich die Situation, in der sich Kunst und Publikum derzeit noch immer befinden, nicht beschreiben. Doch gibt es wirklich keine Möglichkeit, aus diesem Lockdown auszubrechen? Mit der Aktion #kunstausbruch versucht die Stiftung Kunst und Natur genau das, um die Kunst wieder ins Leben und in die Gesellschaft zurückzuholen. 20 Künstler in ganz Deutschland beteiligen sich an diesem #kunstausbruch, darunter auch Robert Weissenbacher aus dem Werksviertel-Mitte.
„Über/Eck“ nennt sich seine künstlerische Konzeption, für die er eine über Eck laufende Glasfassade benötigte und im WERK3 in einer leerstehenden Fläche fand. Nun ziert dort ein bunter Fisch die Glasfassade. Wer die Malerei bemerkt, bekommt zuerst immer nur einen Teil zu sehen. Wer das gesamte Werk betrachten will, der muss um die Ecke gehen und von seinem ursprünglichen Weg abweichen.
Ein Symbol des Lebens aus Eitempera
„Wir müssen derzeit alle über Eck denken, um im Fluss zu bleiben, um im Leben zu bleiben und nicht auszutrocknen, weil uns an so vielen Stellen der Input durch andere Menschen fehlt“, erklärt Robert Weissenbacher. Der Fisch, ein Symbol für das Leben, begleitet den Maler seit seinem Studium. Weissenbacher malt klassisch mit Eitempera.
Die Maltechnik stammt aus dem Mittelalter. Schon Albrecht Dürer hat Farbpulver mit Ei vermischt, um seine Bilder damit zu untermalen. Die Vorteile dieser Maltechnik: Sie kommt ohne giftige Lösungsmittel aus, und auf Glas gemalt, lässt sich die Farbe sehr schnell und sehr einfach wieder entfernen, was bei einem temporären Kunstwerk, wie es bei „Über/Eck“ der Fall ist, ganz praktisch ist.
Ausbruch aus dem Lockdown
Robert Weissenbacher ist im Gespräch die Freude über seinen #kunstausbruch deutlich anzumerken. In der Zeit des Lockdowns hat er gespürt, wie der Zuwachs des digitalen Raums mit einer gesteigerten Wahrnehmung des öffentlichen Raums einherging.
„Du checkst den ganzen Tag deine Social-Media-Kanäle und die deiner Freunde, du zoomst und gehst am Abend letztlich unter die Dusche, spürst das Wasser auf deiner Haut, und dann wird dir bewusst, dass das noch mehr ist.“
Erschien der digitale Raum früher unendlich groß, spüren wir derzeit als Menschen und als Gesellschaft, dass dieser Raum eben doch Grenzen hat. „Wenn jemand jetzt auf Instagram schaut und dort meine fotografierten Leinwände im Briefmarken-Format anschaut, dann hat das nichts mit der sinnlichen, ästhetischen und körperlichen Wahrnehmung in einer Ausstellung zu tun“, sagt Weissenbacher.
„Über/Eck“ ist daher auch nur auf den ersten Blick ein Fisch, der seinen Betrachter zu einer physischen und gedanklichen Bewegung zwingt. Ein bisschen wirke das Glas, auf dem der Fisch gemalt ist, auch wie einer der Bildschirme, in die wir derzeit alle starren müssen, findet Weissenbacher. Nur welche Räume und Realitäten sehen wir dort?
Robert Weissenbachers #kunstausbruch Über/Eck ist noch bis mindestens Mitte Mai am WERK3 zu sehen. Mehr über die Aktion sowie die anderen beteiligten Künstler lest Ihr hier. Mehr von Robert Weissenbacher gibt es vom 30.4. bis 16.5 in der von der Werksviertel-Mitte Kunst organisierten Ausstellung „homegrOWN #4 – Robert Weissenbacher: ,Aus dem Lockdown‘“ zu sehen. Sie findet im Gastatelier im WERK3 statt. Ob die Ausstellung nur digital oder auch analog zugänglich sein wird, erfahrt Ihr unter werksviertel-mitte-kunst.de. Zur Webseite des Künstlers geht es hier entlang.