Siedler, was sie bewegt, was sie bewegen
Das Werksviertel-Mitte versammelt die unterschiedlichsten Menschen. Künstler und Lebenskünstler, Denker und Philosophen, Anpacker und Müßiggänger, Musen und Musiker, Kreative und Freigeister. In unserer Reihe „Ich bin Siedler“ stellen wir einige dieser Persönlichkeiten vor und gehen der Frage nach, was diese Menschen bewegt und was sie im Werksviertel-Mitte bewegen.
Wer Franz Völkl das erste Mal begegnet, der merkt schnell: Dieser Mann hat Energie. Die Leidenschaft, mit der der studierte Energie- und Prozesstechniker über Absorptionskältemaschinen, die Kraft-Wärme-Kopplung oder Strombilanzkreise redet, hat etwas Mitreißendes. Und obwohl man vor seiner Arbeit im Werksviertel ƒauf den ersten Blick nicht allzu viel sieht, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass im Quartier ohne ihn erst mal gar nichts funktionieren würde. Weder die Kaffeemaschine im Guatemuc würde laufen, noch die Bildschirme, vor denen die Kreativen der Avantgarde oder die jungen Gründer im WERK1 über ihren Idee brüten. Und die fünf Meter hohen Buchstaben an der Fassade des WERK12 lägen des nachts im Dunklen anstatt in bunten Farben für die Besucher des Werksviertel-Mitte zu leuchten.
Nachhaltige Energie im Werksviertel-Mitte
Findige Leser ahnen bereits: Franz Völkl bringt den Strom ins Werksviertel. Und auch die Wärme. Und die Kälte. An dieser Stelle könnte es nun sehr kompliziert und sehr technisch werden, doch beschränken wir uns lieber auf das Wesentliche. Als das Werksviertel geplant wurde, ging es nämlich nicht nur um Urbanität und ein lebendiges Stadtquartier, sondern es ging vor allem auch um Zukunft. Und wer sich in diesem Tagen mit der Zukunft auseinandersetzt, der beschäftigt sich automatisch mit dem Thema Nachhaltigkeit.
Schnell kam daher bei den Werksviertel-Planern von der OTEC die Frage auf: Wie können wir die Energieversorgung im Werksviertel eigentlich so nachhaltig wie möglich gestalten? Schon zu Pfanni-Zeiten gab es auf dem Gelände eine dezentrale Energieversorgung, um ausreichend Heiz- und Prozessdampf für die Produktion herzustellen, baute Pfanni 1954 sein erstes eigenes Kraftwerk. Später kam das in seiner Zeit modernste Industriekraftwerk hinzu sowie Europas erste Biogasanlage, in der Energie aus Kartoffelschalen gewonnen wurde.
Zukunftsmusik: hocheffiziente Energieversorgung von Stadtquartieren
Nach der Abwanderung der Pfanni-Produktion in den Neunzigerjahren musste nun entscheiden werden, ob die Stadtwerke, das Pfanni-Energienetz in Zukunft betreiben würden? Oder man die in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse nutzen würde, um für Unternehmen und Menschen vor Ort eine alternative dezentrale Form der Energieversorgung zu ermöglichen? Um dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung zu tragen, entschied man sich gemeinsam mit den Stadtwerken für die zweite Variante. Und an genau dieser Stelle kommt Franz Völkl ins Spiel. Er ist Projektingenieur und Co-Geschäftsführer der sogenannten werkkraft GmbH, die im Werksviertel zeigt, wie in Zukunft eine dezentrale hocheffiziente Versorgung von Stadtquartieren mit Energie (Wärme, Kälte und Strom) funktionieren kann.
Innovative Energieversorgung mit der werkkraft GmbH
Eigentlich arbeitet der 35-Jährige, der immer etwas älter geschätzt wird, bei der Bayernwerk Natur, einer EON-Tochter. Aber eigens fürs Werksviertel gründete man gemeinsam mit der OTEC die werkkraft GmbH. „Die Idee hinter der werkkraft ist, in einem konkreten Stadtquartier aufzuzeigen, wie eine hocheffiziente und damit nachhaltigere Energieversorgung in Zukunft aussehen kann“, erklärt Völkl. Das Geheimnis hinter der hohen Effizienz ist die sogenannte dezentrale Energieversorgung. Das heißt, dass der Strom fürs Werksviertel nicht mehr aus einem großen Kraftwerk von weit, weit her kommt, sondern vor Ort in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt wird.
„Während ein klassisches Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von unter 50 Prozent arbeitet, sind es bei einem Blockheizkraftwerk ca. 90 Prozent. Dieser Unterschied kommt zum Beispiel dadurch zustande, dass wir die Wärme, die bei der Stromerzeugung entsteht, nicht durch einen Kühlturm entweichen lassen, sondern zum Heizen nutzen oder zur Warmwasserversorgung. Und da wir neben dem BHKW eben auch Absorptionskältemaschinen installiert haben, können wir im Sommer die Wärme nutzen, um Kälte zu produzieren, die für die Klimaanlagen genutzt werden. Da sprechen wir dann sogar von einer Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung“, schwärmt Franz Völkl.
Eine neue nachhaltige und digitale Energiewelt
Doch das ist noch längst nicht alles, was in Sachen Nachhaltigkeit möglich ist. Wenn er noch weiter in die Zukunft schaut, dann denkt Franz Völkl natürlich an die Digitalisierung und an Daten. Dieses Thema macht auch vor der Energiewirtschaft nicht halt. „So ein Stromnetz, das muss ja ständig eingepegelt sein. Wenn mehr Strom verbraucht wird, dann muss auch mehr da sein. Längst lassen sich Zähler ja per Funk auslesen. Das Auslesen erledigt in Zukunft aber kein Techniker, sondern funktioniert vollautomatisch.“ Aus diesen Daten errechnen dann lernfähige Algorithmen, wann wo wieviel Strom gebraucht wird, und steuern die Versorgung entsprechend.
Alles im Namen der Effizienz. „Es gibt heutzutage auch schon die Möglichkeit, Biomüll energetisch zu verwerten. Dazu ist es aber nötig, dass er gut sortiert ist“, erklärt Franz Völkl weiter. „Theoretisch ist es sogar möglich, mit Sensoren zu messen, wer seinen Müll wie gut sortiert hat. Sortiert jemand schlecht, zahlt er in Zukunft mehr für den Strom. Sortiert jemand besonders gut, profitiert er über einen niedrigeren Strompreis.“ Wie gut konkrete Belohnungen funktionieren, kennt mittlerweile ja jeder von Smartphone-Spielen. So oder so ähnlich sieht sie also aus, die neuen nachhaltige Energiewelt, an der Franz Völkl mit seinen Kollegen ständig tüftelt und immer neue Ideen entwickelt.
Wir gehen nach dem Gespräch erstmal mit rauchenden Köpfen ins Café der Murnauer Kaffeerösterei, bestellen einen Espresso und denken beim Zischen und Gurgeln der großen Kaffeemaschine: Danke, Franz!
Dein Lieblingsplatz in der Stadt?
Den Biergarten am Bavariapark finde ich klasse. Ich wohne ja im Westend.
Was gefällt dir an deiner Stadt am meisten?
Biergartenkultur ist super. Ich mag, dass München ein Dorf ist, und dass jedes Viertel sein eigenes Flair hat, ob nun hier im Werksviertel, bei mir im Westend oder in der Maxvorstadt, wo ich früher gewohnt habe. Dadurch bekommt die Stadt sehr viele unterschiedliche Facetten.
Was magst du an deiner Stadt nicht so gern? Was fehlt dir?
München wird immer mehr zum Moloch. Die Stadt wächst. Einerseits ist das verständlich, aber es stellt uns eben auch vor enorme Probleme, gerade im Bereich Verkehr.
Zu welcher Zeit bist du am liebsten in der Stadt unterwegs?
Im Sommer natürlich, wenn die Biergärten endlich wieder offen sind.