Siedler, was sie bewegt, was sie bewegen
Das Werksviertel-Mitte versammelt die unterschiedlichsten Menschen. Künstler und Lebenskünstler, Denker und Philosophen, Anpacker und Müßiggänger, Musen und Musiker, Kreative und Freigeister. In unserer Reihe Ich bin Siedler stellen wir einige dieser Persönlichkeiten vor und gehen der Frage nach, was diese Menschen bewegt und was sie im Werksviertel-Mitte bewegen.
Heinz Burghard, (Lebens-)Künstlerƒ
Der Pop-Artist Heinz Burghard hat sein Atelier im Werksviertel-Mitte und blickt auf ein Leben zurück, das mindestens so bunt ist wie seine Bilder. Ein Gespräch mit Heinz Burghard gehört zu den großen Glücksmomenten, die man im Werksviertel erleben kann.
Der Pop-Art-Künstler, der schon seit Jahren mit seinem Atelier auf dem Gelände zu Hause ist, wird gern auf seine Zeit in New York und seine Nähe zur legendären Factory von Andy Warhol reduziert. Doch das ist ein Fehler und wer ihn macht, verpasst die besten Geschichten aus dem Leben des Künstlers, das so bunt ist wie seine Bilder.
Etwa die Story von Burghards ersten Trip nach London Anfang der Siebziger, als die Bahn noch mit speziellen Angeboten Jugendliche in Massen in die Stadt an der Themse karrte. Während der Fahrt, erinnert sich Heinz Burghard, wurde er, der damals 16-Jährige, beim Kartenspielen von einem Achtjährigen abgezockt. Und er weiß auch noch, dass er in dem Zug, der voll mit jungen Menschen war, die nur Unfug und Alkohol im Kopf hatten, zu den Glücklichen gehörte, die sich schon in Belgien übergeben durften. „Daher konnte ich im Gegensatz zu vielen anderen die Fahrt mit der Fähre genießen.“
In London waren er und sein mitreisender Freund dann gleich nach dem ersten Wochenende pleite. Ein Polizeiverhör musste er auch über sich ergehen lassen, weil er in Ermangelung eines Schlüssels versucht hatte, in sein Hotel über den Hintereingang einzusteigen. Aber am Ende ging doch alles irgendwie gut. So wie eigentlich immer im Leben von Heinz Burghard. Etwa, als er am Farbkopierer im Burda-Verlag die Copy-Art erfand, indem er die Geburtstagsfotos der Mitarbeiter nicht wie gewünscht nur vergrößerte, sondern allerlei lustige Sache damit anstellte. „Das kam sehr gut an.“
Außer beim Chefredakteur, der in der Burghardschen Kunst nur Toner-Verschwendung sah. Auch das mit dem Malen folgte nicht einem großen Plan, sondern ergab sich irgendwie. „Ich hatte einen Freund, der malte. Also habe ich auch angefangen ein bisschen zu malen. Als ich dann bei einer improvisierten Ausstellung in der Wohnung meines Freundes gleich zwei Bilder für 600 Mark verkauft habe, dachte ich mir: Damit mache ich weiter.“
Dabei ist es bis heute geblieben und Heinz Burghards Werke haben nichts von ihrer Kraft, ihrer Ironie und Schönheit eingebüßt. Wenn er nicht in seinem Atelier ist, findet man Heinz Burghard hin und wieder auch im Werksviertel-Mitte-Info-Container, wo er neugierigen Leuten das neue Werksviertel-Mitte erklärt. Solltest Du ihn dort treffen, frage ihn doch mal beiläufig danach, wie er damals seine Höhenangst mit einem Fallschirmsprung kurieren wollte. Eine ganz wilde Geschichte. Versprochen.
Welcher ist dein Lieblingsplatz in der Stadt?
Na, hier im Werksviertel-Mitte auf dem Knödelplatz. Vor allem, wenn die Sonne lacht. Früher habe ich auch das Glockenbachviertel gemocht, bevor es so zugebaut wurde.
Was gefällt dir an deiner Stadt am meisten?
Auf die Frage kann ich gar nicht so recht antworten. Wie alles im Leben hat alles zwei Seiten. Ich bin vom Sternezeichen Zwilling. Ich glaube zwar nicht an Sternzeichen, aber so eine Dualität spüre ich schon in mir. Ich denke, dass etwas, das schön ist, nicht nur schön sein kann. Genauso wie etwas, das mies ist, auch eine positive Seite hat.
Was magst du an deiner Stadt nicht so gern? Was fehlt dir?
Ich bin zwar großartig darin, auch immer die andere Seite der Medaille zu sehen, allerdings mag ich über das, was ich nicht als schön empfinde, gar nicht reden. Das will doch auch keiner hören.
Zu welcher Zeit bist du am liebsten in der Stadt unterwegs?
Tagsüber. Da ist es am gesündesten. Früher bin ich nachts dorthin gegangen, wo die Musik toll war. Jetzt gehe ich doch nicht mehr irgendwo hin, wo ich die Musik schon mal gar nicht mag. Ich war außerdem vor Jahren auf so einer Veranstaltung, da waren auch die ganzen tollen Frauen von damals. Nur, diese Superfrauen, die waren eben auch alle Mitte 50.
Disclaimer: Die Originalversion dieses Textes erschien in leicht abgewandelter Form in der 2. Ausgabe des WERK MAGAZINs.