In ein Jahr der starken Frauen mit verrückten neuen Protestkonzepten, wie „Extinction Rebellion“, passt der Auftritt von Wallis Bird am 25. Oktober im Technikum nicht nur wunderbar, er ist geradezu unvermeidlich.
Ihrem sechsten Album „Woman“ attestiert man gerne Raffinesse im Mix von Independant , Soul, Folk und Pop, allerdings keine noch so professionelle Produktion wäre in der Lage das Temperament des angry pacifist hintan zu halten.
Wallis Bird´s „Woman“ kämpft mit den Schandtaten des Jahres 2019
Selbst im tiefsten Puddingsumpf von Synthie-Flächen würde sie mit ihrer vorwärts stompenden Gitarre und den cholerischen Spitzen ihrer Stimme die Message an sich reißen. Bob Dylan waren die Hippies zu friedlich und auch sie erschrak schon manchmal, wenn sie mal wie mal wieder nach „wearing flowers in her hair“ klang.
Aber das irische Vermächtnis der einmaligen, hymnischen Gesangskultur kann und will auch sie nicht verleugnen. Sie hat es in den kämpferischen Phasen ihres schwierigen Aufstiegs immer beibehalten Covers zu singen, man muss sich von ihr nur mal (You Make Me Feel) Like A Natural Woman anhören.
Eine eigenwillige Mischung aus souligem Background und einer Stimme, die zornig bekennt
Der zarteren Roberta Flack fühlte sie sich zwar näher als als der Powerfrau Aretha Franklin, aber Sweet Soul Music ist immer ein Fundament ihrer Songs geblieben, was man gerade auch auf ihrer neuesten Platte hört („Salve!“). „Time Is Not Waiting“ spielt mit Gospelfarben, „Repeal“ ist umwoben von ätherischen Chören. „Angelic Voicing“ – dazu verwendet sie auch gerne flirrende und manchmal eisige Harfen.
Wie jeder Songpoet ist auch Wallis Bird auf der Suche nach der verlorenen Zeit – und den verlorenen Leben. Die Lieder sind dem unnützen Teil der Menschheit gewidmet, den Vertriebenen, den Migranten und den Getöteten. Rebellisch wurde auch Wallis Bird nicht geboren, sie wurde es erst aus Trotz gegenüber dem Schicksal und später aus Wut über dumpfe, gewalttätige Dummheit.
Ihre Texte konstruieren keine Poesie der Metapher, es sind Zornespredigten. Es gibt kein Schwingen zwischen Strophe und Refrain, es sind Mantras, es ist Bekenntnis.
Text: Michael Wüst
Bild: Jens Kellermann