Andrea Wunderlich zeigte am Samstag, 28. September, im boesner München im WERK3 wie Kalligrafie heute erlernt werden kann – Stichwort Handlettering.
Beim Handlettering geht es nicht darum, auf oft großen Flächen mit breitem Pinsel klassische Schriften wie Schwabacher Fraktur, die katholische Unciale oder die römische Capitalis Monumentalis perfekt umzusetzen, wie das am 1. Juni die Asphaltkalligrafin Melina Müller tat, mit Rügener Kreide, die nach einem Regen wieder abgewaschen war.
Von den klassischen Schriften der Buchmalerei zum Handlettering
Es geht grundsätzlich freier zu, was die die Schriftvorlage angeht – einfacher ist es nicht. Zum baylonischen Schriftgewirr von gut tausend digital verfügbaren Fonts für Tastaturschriften hat sich seit einiger Zeit eine ganze Reihe von Handletterin-Fonts gesellt.
Inspiriert von der Werbegrafik der 1920er und 1930er Jahre werden heute Schriften gemalt wie „Valentin“ – man assoziert Filmplakate und Theaterprogramme der Roaring Twenties – oder „Broadly“ etwa im Stile der Bauhaus- oder generell Architektur-Ästhetik. Ständig kommen neue Typen dazu im Handlettering Font.
Andrea Wunderlich führte unter den wiederum zahlreichen Versionen der „Italic“, einer Humanistischen Kursivschrift, ihre Interpretion der schrägen Schwünge vor. Und zwar nicht auf neuen Tablets Pro, auf denen man mit harten Stift gleich in den Computer schreiben kann, sondern vozugsweise auf glattem, undurchlässigen Lay-Out-Papier oder auch rauherem Aquarellpapier.
Der neue Pinselstift macht die hohe Kunst der Schriftmalerei möglich
Die schrägen Schwünge in gekonnter Rhythmik zwischen breitem und fein zartem Strich wurden bis vor kurzem mit der Feder gemacht oder wer es ganz historisch wollte mit dem Federkiel. Heute, neu, ist der Pinselstift. Das Schreiben mit dem Pinsel, zur höchsten Kunst in Asien entwickelt, kann heute mit mit dem Stift und seiner Kunstfaserhaarspitze sehr gut praktiziert werden.
Natürlich mit Patronen nachfüllbar mit verschiedenen Patronen in einem großen Sortiment bei boesner. Das Schriftbild der kursiven, schmuckvollen Schrift erscheint nie abgesetzt, ein quasi ramantischer Fluß durchzieht die Sätze. Denn nach ersten Übungen – und man erinnert sich an die Volksschule – mit n- und m- Serien, soll möglichst ein ganzer Satz, eine ganze Aussage geschrieben, gemalt werden.
Wo man den Fluß unterbrechen muss, hilft die raffinierte Verzierung
Andrea Wunderlich führt dazu dann auch den Klassiker der Reifeprüfung für die Schriftmaler vor: „The quick brown fox jumps over the lazy dog“. Er enthält alle Buchstaben des Alphabets. Interessant wie Schwierigkeiten bei den großen und kleines T´s gemeistert werden. Um den Arm und die Schuler nicht zu verspannen kann der Block jederzeit gedreht werden.
Wo der Fluß unterbrochen werden musste, etwa durch den T-Strich verbindet eine schwungvolle Verzierung. Wer diese Schrift beherrscht wird viel Freude mit Glückwunsch- und Grußkarten haben. Er kann es aber auch als einen Einstieg in ein spezielles Gebiet des Grafikdesigns betrachten. In jedem Fall belohnt die Kalligrafie in unserer digitalen Klickwelt jeden mit einem Moment der Meditation und des Friedens.
Text und Bild: Michael Wüst