Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) feiert heuer sein 70jähriges Jubiläum – in spektakulärer Weise mit einem Tag der offenen Tür am zukünftigen Wirkungsort: Von 11.00 Uhr vormittags bis 21:00 Uhr abends öffnet sich am 29. Juni 2019 das Werksviertel-Mitte, um ein vielfältiges und auch sehr persönliches Programm dieses Orchesters von Weltrang, das hier im Neubau „seines“ Konzerthauses einziehen wird, umzusetzen. Endlich Hausrecht! Mit eigenem Haus befindet sich nämlich dann das BRSO mit der Philharmonie der Münchener Philharmoniker im Gasteig und dem Bayerischen Staatsorchester des Nationaltheaters auch „territorial“ auf Augenhöhe. Die Planer der Jubiläumsfeier, einer wahren „All Area“ der symphonischen Welt, um in alter Eventterminologie zu sprechen, haben ein fulminantes Feuerwerk von 76 Veranstaltungen vom Trompete-Ausprobieren bis zum Baustellenkonzert angerichtet! Der Eintritt ist frei.
Auch wenn noch viel bis zum feierlichen Einzug in den leuchtenden, gläsernen Klangspeicher zu bewältigen ist, und nebenbei bei anderen großen Kulturtempeln der Stadt nicht alles rund läuft, denkt man nur an den Gasteig, sein Ausweichquartier an der Hans-Preissingerstraße, die künftig komplizierten Abstimmungen zwischen den großen Orchestern, ist das natürlich alles nichts im Vergleich zur Situation nach dem Krieg, als die großen Orchester vor dem Nichts standen.
Als am 30. April 1945 die GI´s auf ihren Jeaps in die Stadt einzogen, waren 90% der Altstadt zerstört, die Hälfte der gesamten Stadt dem Erdboden gleichgemacht. Die Vorkriegsbevölkerung war von 800.000 war auf 480.000 geschrumpft, doch schon ein Jahrzehnt später sind die Trümmer beseitigt und zwölf Jahre nach Kriegsende sprengt München gar bereits die Millionengrenze. Der Herkulessaal, ursprünglich im „Hofdamenstock“ gelegen, war, wie überhaupt große Teile der Residenz nur noch Schutt und Asche und das Nationaltheater, die Oper, hatte bereits 1943 schwere Fliegerbombentreffer abbekommen.
Am Tag nach dem Angriff 1943 lagen Kostüme der Meistersinger auf dem Opernplatz. Nach zwei Bränden im 19. Jahrhundert war dies bereits die dritte Katastrophe für die Oper gewesen. Das legendäre Odeon am Wittelsbacherplatz, Odeonsplatz 3, war bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Der klassizistische Bürger-Konzertsaal mit seinen spätromantischen Uraufführungen, beheimatet heute das Bayerische Innenministerium. In allen Diskussionen und Forderungen der letzten Jahre um einen neuen Konzertsaal war dieses Odeon ein immer wieder angeführtes Pro-Argument für das neue Konzerthaus.
Das Deutsche Museum, heute mitten in einer Sanierung, der die Kosten davonlaufen, auch ein Münchner Problemkind, wurde 1944 insgesamt achtmal von Amerikanern und Briten bombardiert, und am Ende waren 80% auf der Isarinsel und Teile der Kongresshalle mit dem Kongresssaal zerstört. Am 29. Oktober 1949 erging mit dem Ruf „Rama Dama“ des damaligen Oberbürgermeister Thomas Wimmer eine „Yes we can“-Version an die Münchner. Die Lähmung der ersten Nachkriegsjahre war überwunden. 7500 Münchner machten sich daran, ihren Teil der 7,5 Millionen Schutt wegzuschaufeln.
Drei Monate zuvor hatte sich unter Leitung des Chefdirigenten Eugen Jochum das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gegründet. Neun Wochen davor, am 24. Mai 1949, war das Deutsche Grundgesetz in Kraft getreten. Für die obdachlosen Orchester der ersten Nachkriegsjahre gab es denn auch bald wieder Säle: Den Kongresssaal, der bis zur Fertigstellung des Gasteigs und der neuen Philharmonie, 1985, Münchens größter Konzertsaal sein sollte. Wiederhergestellt war auch die Oper und der Max Joseph-Saal. Zusätzlich ist 1951 der neue Herkulessaal am neuen Ort im Hofgarten erbaut worden. Im Kongresssaal feierten die Münchner Furtwängler, Bernstein, die Callas, The Who und das Charles Mingus Septett – „heute hört man dort keine Musik mehr“, schrieb Robert Braunmüller. Doch im „Blitz“, einem Münchner Szeneclub! Da legen so bedeutende Resident-DJ´s wie Juetta und die Zenker Brothers auf… Ob man sich da nicht getäuscht hat, 1985, als die Philharmonie fertig wurde? Dass man auf Jahre genug Platz hätte für unsere drei Großen an der Spitze einer Liste von über 20 hervorragenden Münchner Orchestern der E-Musik? Mit Dirigenten des BRSO wie Eugen Jochum, Rafael Kubelik, Kirill Kondraschin, Sir Colin Davis, Lorin Maazel und nun dem zukünftigen Hausherren Mariss Jansons? Man hatte sich getäuscht.
München als Weltmusikstadt großer Orchester ist die letzten Jahre in allen Richtungen gewachsen – in Qualität und in Quantität. Das Konzertpublikum ist höchst präsent und interessiert sich zunehmend für die Moderne. Was auch Zeit wird, datiert ihr Beginn doch schon 100 Jahre zurück. Dafür sorgte unter anderem musica viva, die Konzertreihe für zeitgenössische Musik des Bayerischen Rundfunks. Lassen Sie sich also vom weiteren Fortschritt in die Zukunft überzeugen, von der Dynamik und der Freude der jungen Generation eines ehrwürdigen Orchesters! – Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks präsentiert sich den Münchnern am Tag der offenen Tür, 29.06.2019, auf dem Gelände des neuen Konzerthauses, dem Werksviertel!
Weitere Infos und das Programm gibt es hier.
Text: Michael Wüst
Titelbild: Tobias-Melle