Am Samstag, 1. Juni, fand das Abschlusskonzert von „Stars & Rising Stars“ in der whiteBOX statt.
Das zweieinhalbstündige Konzert, ausnahmslos von Studenten und Absolventen der Hochschule für Theater und Musik bestritten, was Prof. Dr. Bernd Redmann eingangs stolzerfüllt betonte, war nicht nur meisterhaft, es war auch in seiner Programmatik klug, wenn nicht gar wegweisend konzipiert.
Der Abend war der großen Geigenpädagogin Ana Chumachenco gewidmet, die von 1988 bis 2011 an der Münchner Hochschule für Theater und Musik unterrichtete. Lisa Batiashvili, eine ihrer früheren Studentinnen, mittlerweile selbst ein Stern, hatte bereits 2017 in der 1. Ausgabe von „Stars & Rising Stars“ ihre eigenen Favoriten im Technikum präsentiert. Diesmal in der whiteBOX waren es sechs Geigerinnen und Geiger, von der 19jährigen Diana Adamyan bis zur explosiv temperamentvollen Veriko Tchumburidze und im Duo mit Mohamed Hiber der 26jährigen Cellistin Laura Szabo. Sie begeisterten ausnahmslos in der komplett ausverkauften whiteBOX – Rising Stars, denen nur zu wünschen ist, dass sie weiterhin so wunderbar beschwingt in Bewegung bleiben und nicht im Starkult dereinst erstarren.
Neben zwei Mozart-Programmpunkten und der Bearbeitung eines Händel-Themas, waren die Kompostionen alle im 19. und 20. Jahrhundert angesiedelt. Wien, Paris, Budapest, St. Petersburg und das spätere Leningrad waren die kulturellen Kulissen dieser sehr europäischen Welt und mit Richard Strauss war auch ein Münchner dabei. Sensationell gestaltete sich der Auftakt des intensiven Konzertabends mit der Schlagzeugerin Vivi Vassileva und der Pianistin Carina Madsius. Die in Hof geborene Vassileva mit bulgarischen Wurzeln, die sich gerade bei dem Schlagzeug-Irrwisch Martin Grubinger vervollkommnet, steht für die neue aus der Klassik in die Moderne aufsteigende Generation des Schlagzeugs. Schlagzeug heißt an diesem Abend Marimbaphon, Vibraphon, Snare, Daburka und Bongos und die beiden spielen sehr folgerichtig Kompositionen von Christopher Verworner und Claas Krause, den beiden revolutionären Komponisten und Leitern des VKKO, des Verworner Krause Orchesters.
Manfred Grubinger hatte in seinem Konzert im Februar 2018 im Technikum schon nicht nachgelassen darauf hinzuweisen, dass allein der Standort Werksviertel-Mitte mit dem neuen Konzerthaus schon jetzt zu den spannendsten Begegnungen von E und U führen wird. Jazz, Soul, Techno, Elektronik vermischen sich bei VKKO mit mächtigen romantischen Schlägen und elektrisierenden Clustern.
Expressionistisch aufgeladen wie immer bei Claas Kraus, der Titel: „Three Nuclear Submarines and an Angry Lizard and Molten Acid für Vibraphon und Klavier.“ Euphorisch tanzen die E- und U-Linien, alternierend zwischen Klavier und Marimba umeinander, umkreisen, begegnen sich wechselwirkend: Quantenmusik, die uns nicht mehr erlaubt von den alten Körper-Modellen Klassik, Moderne und Jazz zu reden. Ein fantastischer Auftakt als Ausblick, schwerelose Virtuosität, Sternentanz.
Der Blick zurück in die Tiefen der Musik wird dann erlebbar durch Naoka Aoki, die ein ein Paradestück von Richard Strauss bringt, den Rosenkavalier-Walzer. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie mentalitätssicher und nicht nur in technischer Perfektion, die schräge Süffisanz von Richard Strauss in Fernost verstanden wird.
Am Klavier kongenial Yumiko Urabe. Weltsprache Musik. Mohamed Hiber, geboren in Paris, vertritt mit Jenö Hubay die österreichisch-magyarische Klangfarbe. In der Carmen Fantasie des in 1885 im Kaiserreich Österreich in Pest Geborenen, als Buda westlich der Donau noch nicht angeschlossen war, überzeugt er mit sonor kraftvollem Strich, libidinös in der Tiefe. Die 19jährige Diana Adamyan aus Armenien würdigt Chatschaturians Tanz für Violine und Klavier. Seitdem sie sieben Jahre alt ist, räumt sie bei Wettbewerben ab. Mit Tatiana Chernichka am Klavier geht viel über Augenkontakt. Vielleicht war dieses Stück der technisch schwierigste Brecher. Aufschlagender Bogen leitet mit rhythmischen Verzierungen in einen rasenden Tanz mit Pizzicatos, mittendrin im Strich.
Wenn sich höchste Ausbildung derart mit Musikantischem vereint, macht sich Euphorie breit. Freude an E und U, die die Errungenschaften und Kultur Europas hegt, eingehegt, pflegt und liebt von seinen Rändern aus, sein Innerstes auffassend.
Text: Michael Wüst
Titelbild: Ralf Dombrowski