Am Freitag, 11.01. startete das Musikfestival „Out of the Box“ im tiefsten Winterwetter mit Terje Isungets Icemusic auf dem Dach des Werk 3.
Ein Winter Open Air ist eine schöne Sache, aber macht viel Arbeit. Und in der Tat hatte sich auch der Wunsch von whiteBOX-Leiterin Martina Taubenberger erfüllt, denn heuer setzte der Winter nach einem lauen Dezember im Januar mal wieder mit Macht ein. Am Freitag kamen dann auch jede Menge eingepackte Leute, die den Klang der Icestruments hören wollten. Um die Szenerie in ihrer Naturmagie noch zu vervollständigen, wurde aus dem feinen Schneegeriesel nachmittags pünktlich zum Konzertbeginn um 20.00 Uhr ein Gestöber. Bei Regen oder Sturm hätte das Konzert indoor stattfinden müssen, eine Option, die das Team dann auch bereits tags darauf stemmen musste.
Jede Position des Quartetts mit mehreren Icestruments plus dem Dreigesang des Trio Medieval ist mikrofoniert, Licht, Ton und Rigging mussten dann bereits am Samstag in den großen Glassaal ein Stockwerk tiefer verlegt werden. Während die Besucher des ersten Tages zur Musik die volle Szenerie, komplettiert durch die Eisstelen des Bildhauers Eric Mutel genossen, konnten die Besucher danach ein insgesamt stilleres und dadurch vielleicht sogar intensiveres, bestuhltes Konzert innen erleben, während sich draussen in leicht rötlicher Luft schon der Wind sammelte.
Nach etwas über einer Stunde warnte Arve Hendriksen (Eis-Trompete, Eis-Alphorn, Stimme) bereits mehrmals in einem der letzten Stücke der CD Beauty of the Water, „Glacial Motion“ und improvisierte alarmierend: „Ice is melting“. Auf den größeren Eis-Stücken, wie im Aufbau des Eis-Schlagzeugs, zog bereits der Glanz des Schmelzens auf, während die marimba-artigen Stäbe der Perkussion noch stabil trüb und kalt wirkten. Falls das richtig beobachtet ist, könnten das jene Instrumente aus Fjord- und Grönlandeis sein, die teilweise an die 600 Jahre alt sein sollen und in speziellen Kühlverpackungen von Festival zu Festival reisen.
Die Idee der Icemusic datiert zurück zur Olympiade 2000 in Lillehammer, als Terje Isunget den Auftrag bekam, in einem gefrorenen Wasserfall ein Konzert zu konzipieren. Hier begann er Teile von herkömmlichen Instrumenten mit Eis zu kombinieren, spätestens seit 2006 mit Beginn des Eisfestivals in Geilo, Norwegen, kommen die zahlreichen Blasinstrumente kompakt aus Eis dazu. Manche im Trichterbau einer Schalmei, manche an ein Jadhorn erinnernd, manche an ein Posthorn. Diese Icestrumente hatten die Münchner schon letztes Jahr, ebenfalls an einem 12. Januar im Ausstellungsraum der whiteBOX bei einem Konzert aus der CD Winter Songs kennengelernt. Heuer, sozusagen als hybrides Instrument, lernten wir den Kontrabass (Anders Jormin) kennen, dessen Resonanzkörper aus kompakten Eis war, worauf der hölzeren Steg mit den Saiten sich setzte. Solche Mischformen spielte auch Arve Hendriksen: Die geeiste Trompete, mal mit Mundstück, mal ohne und ein Stick mit einem Sopransax-Mundstück. Die Trompete speiste den Computer. Ihre Akkorde über Harmonizing verliehen den Stücken Groove und manchmal südamerikanisches oder karibisches Flair zusammen mit der Eismarimba und dem Rufen der Hörner. Die Sängerin Maria Skranes brachte mit zarter Kopfstimme meditative Vokalisen ein, die eine Verbindung schufen vom musikalischen Polarkreis, von Inuit-Ritual-Formeln bis zu tropischen Dschungelstimmen. Als dann Abschluss, „Mellom Fjell“, ein Lied über die menschliche Unzulänglichkeit zwischen den Bergriesen. Elegisch, von kindlicher Zärtlichkeit. Instrumente und Publikum waren – dahinschmelzend.
Autor: Michale Wüst