Am Mittwoch, 14. November, eröffnete in der whiteBOX mit „homegrOWN #3: Stardust mit Stargast“ eine Show, die die Begegnung von Wissenschaft und Kunst zum Inhalt hat. Thema beider Disziplinen: das All.
Seit 2010 lädt die Reihe „Café & Kosmos“ zu hochkarätigen Vorträgen und Diskussionen in Fragen der Astrophysik ein. Ugo Dossi, Künstler in der Ateliergemeinschaft der whiteBOX, mehrfacher Documenta-Teilnehmer und selbst mystisch orientierter Kosmiker, lernte an einem solchen Abend im Schwabinger Vereinsheim Professor Andreas Burkert, den Leiter der Astrophysik an der LMU München, kennen. Daraus entstand eine Freundschaft, die bereits im Juli 2014 zu einem Gastvortrag von Professor Andreas Burkert in Dossis Atelierhaus in Murnau führte – im Rahmen einer Ugo-Dossi-Ausstellung.
Zwischen dynamischen Strudeln, Abysses, komplexen Endloswindungen, sogenannten Vortices, schamanisch anmutenden Himmelsleitern und Szenen des Firmaments, die unterschwellig, subliminal, mit oft kontraindizierten Inhalten beschossen wurden, sprach der Astrophysiker über die Schönheit des Alls, die Reize dem Unermeßlichen näher zu kommen. Besonders faszinierend das Masseverschwinden in schwarzen Löchern, wie es seit diesem Jahr erstmals im Zentrum unserer Galaxie beobachtet werden kann. Aber nach Murnau sollte es weiter noch weiter gehen.
So läuft derzeit im Center for Advanced Studies (CAS) am Englischen Garten eine Ausstellung von Ugo Dossi, „Stardust, Weltmodelle“, die ebenfalls von Professor Burkert eröffnet wurde. Diese Ausstellung begleitet eine Reihe von Vorträgen bis zum Ende des Wintersemesters am 1. März. Nun, da aber wieder eine Ausgabe von homegrown mit Künstlern der Ateliergemeinschaft in der whiteBOX angesagt war, kam man auf die Idee, noch einen drauf zu setzen.
Anläßlich „Stardust mit Stargast“ holte Ugo Dossi sich noch eine weitere künstlerische Position, um sie seinen Videos des automatischen Trance-Zeichnens und den unterschwellig infizierten Bildern an die Seite zu stellen. Ein Stockwerk über seinem Atelier befindet sich der Arbeitsraum von Martin Rosenthal.
Seit einiger ist Ugo von den großen Panaorama-Video-Erzählungen des Kollegen schon begeistert. In Verblendung von Traumzitaten der Real-Welt mit skurrilem, digitalen Figurentheater nebst appetitlichen Plättchen und Kügelchen halb Smarties, halb Killerviren hat Martin Rosenthal bereits eine ganze Reihe von hoch poetischen, futuristischen Märchen produziert. Doch bevor es soweit ist, überracht nach der Vorstellung von Professor Burkert Ugo Dossi noch mit einem zweiten Stargast. Martine-Nicole Rojina, die nebenbei schon als Technikerin in der whiteBOX arbeitete, hatte nämlich gerade ganz nebenbei erst am ZMK in Karlsruhe ihr Projekt MoonBouncing vorgestellt. Da hieß es: Sing with the Moon. Recorded at the Radio Telescope Dwingaloo in Netherlands. Eine Kostprobe war das klangliche Intro des Abends.
Was wurde da hergestellt? Das Mondecho von in der Teleskop-Station Dwingaloo gesendeten Frequenzen kam dort mit Hilfe sogenannte HAM Radio Bands, auf die die Frequenzen aufmoduliert werden, in 2,5 Sekunden zurück! Das heißt, die von Marcello Giannnandrea (Fagott), Federico Bragetti (Cello), Martine-Nicole Roijina (Uculele) und Francesco Cigana (Perkussion) erzeugten Klänge überwanden 384.000 km hin und zurück in 2,5 Sekunden. Das entspricht einer Art von verschmutztem Klang, den man von großen Rockkonzerten kennt, wenn nicht mit gestaffelten Delaystationen ausgeglichen wird. Aber da geht es vergleichsweise nur um ein paar Millimeter. Und nicht allein das Echo macht den besonderen Klang des MoonBounce besonders: Die Oberfläche des Mondes bildet sich akustisch ab und auch der Durchgang durch die Atmosphärenschichten mit ihren Berechnungen, prägen die Charakteristik eines MoonBounce. Space-iger kann man sich ein Intro zu dieser oder irgendeiner anderen Ausstellung nicht vorstellen!
Nächstes Jahr wird diesem exzeptionellen Projekt mithilfe der Transformation des „Gravity Synthesizers“ Ende Februar in der Reihe „Out of the Box“ ein eigener Tag gewidmet werden. Sister Moon rules! Doch nun zu Martin Rosenthal: In seinen Videos „Das Glück der Zelloiden“ und „Es ist so wie es ist“ wird der Siegeszug der künstlichen Intelligenz von einer Soft Parade von Spielzeug-Robocops repräsentiert, die ferngesteuert und verkehrt herum durch einen Brudermühltunnel tapern. Die mächtige Stimme Rosenthals im Duktus eines antiken Sängers führt in lyrischer Rhythmik, die zwischen Lakonik des Alltags und Homerischem Ton alteriert, durch seine Gedankenwelten, die sich wie in Morpheus´ Armen wiegen, verschmelzen, drehen und pulsieren. Alles atmet, wie in Else Lasker Schülers „Helles Schlafen – Dunkles Wachen“. Aus der magischen Sinnlichkeit des hellen Schläfers entwickelt er Gesellschaftskritik bis hin zu einem sich anbahnenden zivilisatorischen Kataklysmos dunkler Schönheit, aus dem das einfache, unschuldige Leben erneut entsteht und man am Morgen Kaffee kocht – ganz im alten Sinne von: nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu. (John Locke) Der Sensualist mit den digitalen Scheren-Instrumenten erspürt die Wege tiefen dunklen Denkens und trifft sich mit dem Astrophysiker in Goethes Maxime: „Kein Wesen kann zu nichts zerfallen / das Ew´ge regt sich fort in allen“…denn in allem wirkt der Kosmos wie eine Lebenspumpe, in der Vergehen und Entstehen sich bedingt, sich ineinander verwandelt und in der Waage ist. Das Sterben begründet das Leben. Wenn riesige Sterne wie Rigel oder Aldebaran sterben, schießen sie jenen Sternenstaub aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Silicium ins All, aus dem wir organisch erst geschaffen werden können. „Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal eine Sternschnuppe sehen. Wir sind Stardust.“ Zwischen dem metaphorischen Raunen der Künstler merkt man dem Professor eine unbändige Freude an, die sich auf das Publikum überträgt. An einem Leben, das weit über seines und unser persönliches hinausgeht.
homegrOWN # 3: Stardust mit Stargast, 15.-25. November 2018, Mittwochs-Sonntag, 14-20 Uhr, Eintritt frei. Der Vortrag von Professor Andreas Burkert ist als Aufzeichnung zu sehen.
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