Mit zwei heiter intelligenten Veranstaltungen endet die fast dreiwöchige Präsenz der Süddeutschen Zeitung auf dem Gelände des Container Collectives. Die junge Münchenredaktion hatte am Mittwoch, 13. Juni, eingeladen zu einer spielerisch-kognitiven Wiederholungsstunde in Fragen der (richtigen?) Argumentation. „Wir müssen reden“ hieß es heuer im Democracy Lab. Dirk von Gehlen, Leiter der Abteilung und Daniel Wüllner aus dem Social Media Team, außerdem freier Autor und Spezialist in Sachen Brettspiele, Comics und Games, hatten das Publikum in Pro- und Contragruppen eingeteilt und mit aktuellen Fragen des Zeitgeschehens in Bayern und der restlichen Welt konfrontiert.
Ja, in der Tat, wir müssen reden über die Art und Weise wie wir miteinander reden. Gesprächs- und Streitkultur haben haben durch das Trollwesen deutliche Dellen und Defizite erfahren. Nicht nur im Bereich Social Media, auch die Trolle der Talkshows, gilt es sich genauer anzuschauen. Nicht von ungefähr kommt die Empfehlung des Deutschen Kulturrats, die Headliner der deutschen Talkshows, von Maybritt bis Anne für ein Jahr in den Besinnungsurlaub zu schicken.
Dirk von Gehlen gibt ein paar Tipps, um besser streiten zu können. Sehr einfache und doch heute weitgehend verdrängte. Man bemüssige sich, den den Mensch von seiner Meinung zu trennen, er ist nicht, das was er vertritt. Umgekehrt übt folgendes Muster ungemein: man vertrete auch mal eine nicht „eigene“ Meinung. Und: Meinungen zu ändern, ist keine Schwäche. Rote Karten haben die Gegner im Publikum, Grüne die Befürworter. Sitzen da vor Bekanntgabe der Themen schon mehr auf der roten Seite? Der Anprangerer? Aber nein, es wird natürlich keine Protest- oder Wahlveranstaltung mit „Jetzt red i“-Faktor und in den Social Swamp der Trolle oder Alu-Hüte begibt sich auch niemand.
Was ist das also erste brisante Thema? Bayern und das Kreuz in den Behörden. Noch ein kleiner Regelhinweis von Daniel Wüllner. Pro Seite bitte nur ein Argument und das in Verbindung mit dem magischen Diskurs-Wort „Weil“. Dann gibt es Punkte auf einem der beiden Flip-Charts. Good Old School ohne Tortendiagramme und Power-Laser-Point-Gefummel. Ein Pro-Kreuz-Argument gibt von Gehlen vor. Es ist nun so, dass ab 1. Juni in bayerischen Behörden die Kreuze wieder hängen müssen, sollen, weil das mit Mehrheit im Landtag beschlossen wurde.
Gute Einwände: Die Garantie der Religionsfreiheit in der Verfassung. Und dazu noch schnell ein No-Go von Daniel Wüllner: Keine Verwendung der Begriffe Islam, Kopftuch, Niquab, Muslime und Burka. Ein Vertreter der grünen Pro-Aktiven sagt etwas, das in eine spannende Richtung gehen könnte, weil er eben Kirchensteuer zahle, hat er auch nichts gegen Kreuze in Amtsstuben. Zur Laizismus-Debatte kommt es dann leider nicht, ein bisschen Kultur des Abendlandes, na gut. Das mag müde wirken, ein bisschen kann man es ja nicht mehr hören, dass die republikanischen Verfassungen aus der Bibel und der Tora geflossen sein sollen. Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass den Parteien das Thema gar nicht so besonders wichtig ist.
Mehr Aufmerksamkeit entsteht da schon beim zweiten Thema, der Frage nach den Fortschritten durch die Me-Too-Debatte, wo es auch schnell zur Gender-Rechtsschreibung geht. Tatsächlich wird auf der Pro-Seite auch vermerkt, dass eine Bemerkung „Du siehst aber nett aus“ heute als sexistisch eingestuft werden kann. Und eine Besucherin meint, der Lesefluss werde bei ihr durch die Gender-Sternchen angeregt. Die interessante Frage der Unterscheidung zwischen Genus und Sexus wird am Rande gestreift. Einig kann man sich werden, darüber, dass die Sprache in Bewegung bleibt und bleiben muss. Eine elegant und witzig präsentierte kleine Übung, die uns am Ende auch davon überzeugt, dass wir die Polemiker und Provokateure trotzdem auch brauchen und die Underground-Codes, die sich der korrekten Etikette entziehen.
Am Freitag, 15. Juni, beendet die Redaktion von Jetzt online mit Lesung und Trinkspielendie die dreiwöchige Reihe. (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-veranstaltungen-sz-1.3984326)