Am Samstag, 5. Mai, zeigte die whiteBOX den 45 Minuten langen Film von Natascha Küderli „Berlin – layers of movement“ im Rahmen der Ausstellung „In Transition“, die noch bis zum 20. Mai läuft. (Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 10:00 bis 18:00 Uhr)
Die Stadt zu begreifen, das ist ein so ewiger Traum wie die ewige Stadt, ist eine ewige Sehnsucht von Soziologen, Philosophen, Filmern, Architekten und natürlich Künstlern. Natascha Küderli, Architektin und mittlerweile hauptberuflich freie Künstlerin, mit eigenem Atelier im WERK3, ist in ihrem vielfach preisgekrönten Film zuallererst einmal der Schönheit gefolgt. Einer Schönheit der Artefakte des Metropolen-Streckennetzes, das sich aus Gleisen, Bahnen, Treppen, Straßen, Wasserwegen, Landebahnen zusammensetzt.
In drei Tagen und Nächten sind 80 bis 100 Stunden Material zusammengekommen. Hochästhetisch, mit hervorragender Kamera und klugem Schnittrhythmus ist so, ausgehend von den Verkehrsnetzen ein Berlin-Bild entstanden, das nebenbei auch als Sightseeing verstanden werden kann, ging es der Künstlerin doch um die Sichtbarmachung des äußeren Bildes, um die Mitteilung der Schönheit dieses Streckennetzes. Dahinter steht aber natürlich der Ansatz, durch Anhäufung und Schichtung den ästhetischen Schleier zu lüften.
In kurzen Sequenzen sehen wir deshalb auch die Fotografin Küderli bei der Arbeit. Sie schneidet aus den Abzügen ihrer analogen Bilder Motive von Verkehrsebenen und schichtet diese. Bevorzugtes Thema: Bahnen, Züge, aber auch Treppen, Brücken, Übergänge, Passagen. Gebäude kommen auch mit ins Bild, sie sind ja eingespannt in das Netz. Die Seele der Stadt im Netz. Was Natascha Küderli aufspüren will, das, was Menschen planten und entwarfen, das, was Menschen täglich durchqueren auf ihren Passagen in Glas, Stahl, Eisen, Ziegeln, letztlich auf dem Wasser und in der Luft, soll sich enthüllen im Artefakt, sei dort abgebildet.
Der Film folgt ohne Brüche den Regeln des Transports, den Gesetzen der Bewegung. Ringsysteme sind übergeordnete Struktur, das verkehrstechnische Über-Ich der Stadt. Wir wissen von den Ringsystemen, sie wirken aber wie eine Abstraktion, im Wahrnehmungvordergrund herrschen die orthogonalen Systeme. So geht es übergeordnet von Außen nach Innen, von Nord nach Süd und von Mitte nach West und Ost. U- und S-Bahnen, Busse, Schiffe, Züge, Räder, Flugzeuge, Autos bewegen sich neben-, über-, unter- und miteinander.
Sehr schön ist, dass die Tunnel Tag und Nacht verbinden zu scheinen. Verfremdungen, Schlieren oder Bewegungsunschärfen werden sparsam eingesetzt. Die Menschen? In den Netzen wirken sie manchmal verloren wie Pixelfehler des Sozialen. In einer Einstellung wird das sogar noch betont. Von unten gefilmt sieht man lediglich Abdrücke von Schuhen, die ihren Weg über einen schicken Milchglasboden nehmen. Einmal sieht man kurz zwei Gestalten in Hotpants am Straßenrand.
Eine kühle Meditation, die von der distanzierten Musik von Chris Heyne, der im anschließenden Künstlergespräch seine Vorlieben für Steve Reich und Philip Glass bekennt, verstärkt wird. In einer gewissen Beiläufigkeit, vielleicht im Sinne einer Konsum-Passagen-Beschallung, tauchen die Genres auf und unter. Bisschen Jazz, bisschen Folklore, impressionistische Klangmalereien. Dieser Film ist auf den zweiten Blick eine sehr hintergründige Sight-Seeing-Tour. Vielleicht eine Innen-Tour. Warum nur müssen wir an Rainer Maria Rilkes seltsames Wort denken? „Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir gerade noch ertragen.“
Text: Michael Wüst
Die Ausstellung „In Transition“ in der whiteBOX geht noch bis 20.05. 2018 und ist von Mittwoch bis Sonntag, 10-18 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter www.whitebox.art