Tag 1
Nach 17 Stunden endlich in Hanoi angekommen – und was sehen wir? REGEN, WOLKEN BÄH! Dafür sind wir nicht aus dem kalten, ekligen Deutschland abgehauen. Erstmal sind wir etwas enttäuscht. Aber die Vorfreude auf drei Wochen Urlaub in Vietnam lassen uns nicht ganz verzweifeln. Wir sind schon oft mit dem Regen gereist – oder der Regen mit uns? Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dahingehend ein wenig verflucht sind. Aber was soll’s!
Hallo, ich bin Rebecca und im Werksviertel-Mitte für das Marketing und die Wegeführung auf dem Gelände zuständig. Im Rahmen von „Siedler reisen um die Welt“ möchte ich euch gerne auf meine Vietnam-Urlaubsreise mit meinem Verlobten Robin mitnehmen. Diesen Beitrag schreibe auf einer externen Mini-Tastatur, von der ich anfangs so unendlich begeistert war, die mich aber mittlerweile etwas aggressiv macht, weil nicht alles so ist, wie ich es kenne. Aber so ist es die ersten Tage in einem anderen Land mit anderer Kultur auch oftmals. Nach der anfänglichen Euphorie kommen Nörgeleien, Zweifel, Ernüchterung. Und wenn man sich arrangiert hat und daran gewöhnt ist, wird es einem nach kurzer Zeit doch wieder entrissen. Alles der Reihe nach – die Moral der Geschichte kommt ja bekanntlich zum Schluss.
Also: Was ist der Plan? Robin und ich haben drei Wochen, einen Hinflug nach Hanoi, einen Rückflug von Ho-Chi-Min-City (Saigon) und zwei Backpacks auf unseren Rücken. Die ersten zwei Nächte haben wir gebucht. Sonst steht noch nichts fest. Wir lassen uns treiben.
Wir fliegen an einem Sonntag Morgen los Richtung Doha. Von dort aus weiter nach Hanoi. Unterwegs sind wir ca. 17 Stunden. Um sieben Uhr morgens landen wir ins Hanoi. Für uns ist es ein Uhr nachts. Das Visum haben wir schon vorab online beantragt. Wir sind stolz, eigene Passfotos mitgebracht zu haben*. Dann lesen wir in der Schlange beim Anstehen erst die E-Mail dazu: Bringen Sie 50 US-Dollar pro Person in Bar mit. Ups. Wir haben 80 Notfall-Dollar dabei. Wir stellen uns doof. Es klappt. Wir können die Differenz in Euro zahlen. Kommt uns zwar teurer, aber wenigstens sind wir im Land.
Nächste Schritte: Gepäck holen, Geld abheben, SIM Karten kaufen. Mensch, sind wir organisiert*. Im Taxi (ganz ordentlich mit Taxameter*) lassen wir Maps.me mitlaufen, damit wir bei der Strecke nicht übers Ohr gehauen werden*. Im Hostel angekommen, bekommen wir trotz unserer Überpünktlichkeit*, Check-in erst ab 13 Uhr, doch schon unser Zimmer. Das ist sauber und voll in Ordnung. Jetzt wird erstmal eine Runde gepennt. Gut gegen Jetlag. Gegen 13 Uhr wachen wir ausgeschlafen auf. HUNGER! Im Flugzeug wird man zwar versorgt, aber wirklich sättigend ist das nicht. Wir brauchen „was Gscheids“. Einfach mal ins Gemenge stürzen. Es ist sehr viel los auf den Straßen – kein Wunder: Vor zwei Tagen wurde hier das chinesische Neujahr gefeiert. Hä? Wir sind doch in Vietnam!*. Viele Läden haben geschlossen. Zum Essen gibt es zum Glück genug. Nach einem Sandwich (keine HIMYM-Version) und einen Stamperl Bier (0,33l) geht es weiter. Die Stadt ist sympathisch. Im Gegensatz zu einigen anderen Ländern werden wir überhaupt nicht angestarrt, weil wir Europäer sind*. Hanoi ist voller Touristen. An das Hupen müssen wir uns erst ein wenig gewöhnen. Wir erschrecken noch oft und wollen aus Reflex schimpfen*. Wir müssen endlich mit der Urlaubsentspannung beginnen und gehen in ein Spa. Für umgerechnet 11 Euro pro Person lassen wir uns eine Stunde durchkneten. Zurück im Hostel stellen wir uns unserer Urlaubschallenge: Pro Bier gibt es einen Satz H.I.I.T., Zirkeltraining, damit wir (also ich) nicht als doppelte Portion zurückkommen. Wir sind aktuell mit drei im Minus. Die zwei Heineken auf dem Flug und das Stamperl zumMittagessen müssen ausgeglichen werden. Und abends wollen wir ja auch noch etwas trinken. Sechs Sätze später bin ich drei Bier im Plus und es geht frisch geduscht zum Abendessen: lecker Vietnamesisch. Das mit den Stäbchen müssen wir noch üben.
Unseren ersten Trip haben wir auch schon gebucht: drei Tage Halong Bay – ein „must see“. Wahrscheinlich total überlaufen und touristisch, das muss auch mal sein. Wir haben extra den teuren Touri-Tarif gebucht, damit es authentisch ist. Weil ich nach dem Essen unbedingt noch was Süßes wollte und mich nicht zwischen zwei Kuchen entscheiden wollte, bin ich jetzt eins im Minus. Wird morgen ausgeglichen. Hat sich gelohnt. Wir sind gespannt auf morgen. Eine City-Tour steht auf dem Programm.
2. Tag
Plan gehabt – Plan gekippt: Da immer noch Feiertage sind, mussten wir auf die geplante Hop On/Hop Off City-Tour verzichten. Dann eben zu Fuß. Zuerst zum Bahnhof, ein Ticket für Freitag nach Hue kaufen. Zwar ist ein Flug schneller und komfortabler, aber ich will unbedingt mit dem vietnamesischen Zug fahren. Das dauert „nur“ fünfzehn Stunden, über Nacht.
Mittags geht es endlich in einen dieser Straßenläden. Das Essen ist super lecker, die Mini-Stühle sind irgendwie Standard und eindeutig zu tief.* Nachmittags merken wir, dass wir immer noch nicht wirklich entspannt sind und gehen vorsorglich erneut zur Massage. Die wist eindeutig besser und sogar etwas günstiger. Was uns an vielen Hotspots auffällt: die Selfie-Sucht der Vietnamesinnen. Egal, wann und wo – die vietnamesische Frau zückt ihr Smartphone und shootet sich erst einmal eine Viertelstunde selbst. Und sie schämen sich null. Wahnsinn! Ich dachte, ich wäre schlimm. Das ist echt interessant, da die vietnamesische Kultur ja eher zurückhaltend ist. Unser Minus von gestern gleichen wir schweißtreibend aus. Leider war der süße Zahn bei mir wieder so groß, dass ich am Abend wieder auf Minus eins bin. Die Vietnamesen kennen meine süße Schwäche.
Morgen geht es endlich nach Halong Bay. Um „touchy seven oclock am“ werden wir aufgegabelt.
3. Tag
„Touchy seven oclock“ heißt acht Uhr!* Naja, wenigstens nicht andersherum. Nach vier Stunden Fahrt mit vielen Aufpick-Stationen und einer Pause a la Kaffeefahrt an einem Touri-Store gehen wir an Bord der Christina. Ich war noch nie über Nacht auf einem Schiff und bin hellauf begeistert: Wir haben ein riesiges Doppelbett, ein modernes Bad, einen Balkon und sogar genug Platz für unser Bier-Workout.
Nach der Ankunft gibt es Mittagessen. Das ist zu meinen Gunsten sehr Seafood-lastig. Also die Eiweißversorgung für die nächsten Tage ist gesichert. Dann geht es zum Floating Village, zur Perl Farm und an den Beach. Das Floating Village ist faszinierend und traurig zugleich: Bis 2004 haben sich hier Fischer in einer schwimmenden Stadt angesiedelt. Wie und wann sie wollten. Sie haben ihre Häusschen auf dem Meer gebaut. Es gab eine Schule, eine komplette Gemeinde. Keine Regulatorien seitens des Staates, wie viel gefischt werden durfte. Das barg die Gefahr der Überfischung, sodass der Staat 2005 entschied, „den Laden dicht zu machen“. Alle Fischer und ihre Familien wurden umgesiedelt und sollten an Land gehen. Bei vielen war das finanziell nicht möglich: Seit Generationen wohnen diese Familien hier, es war alles, was sie hatten. Und jetzt sollten sie es aufgeben. Der Staat schloss die komplette Infrastruktur samt der Schule. Aber bis heute leben die Fischer dort – illegal. Sie haben kein Geld und keine Perspektive für einen Neuanfang. Sie versuchen, ihre Kinder selbst zu unterrichten. Die Situation scheint trotzdem aussichtslos. Wenn ein Fischer mal krank wird und an Land gehen muss, müssen sie die Behandlungskosten selber zahlen. Im Floating Village gibt es keinen Telefonempfang und kein Internet. Man ist von der Außenwelt abgeschnitten. Der einzige Zugang zur Außenwelt ist der Tourismus. Trotzdem bleiben die Menschen. Sie sind frei. Sie ticken nach ihrer eigenen Uhr. Der Guide sagt uns: „Die Menschen hier erscheinen uns komisch. Aber wenn man in Not ist, helfen sie. Es ist hier wie in einer großen Familie.“ Wahnsinn! So ein Mikrokosmos wäre bei uns in Deutschland gar nicht möglich. Als wir so über das Wasser treiben, ist es plötzlich ganz still. So still, dass es fast weh tut. Nur das Geräusch des Paddels unseres Bootsmannes ist zu hören – sonst nichts. Es ist friedlich, es ist frei. Ein Mitfahrer aus Bangkok (Sunny) fragt uns: „Könnt ihr euch vorstellen, eine Nacht hier zu schlafen?“ Unsere Antwort ist: „Ja, aber genau nur EINE Nacht.“
Die Perlfarm ist für unseren Geschmack weniger spannend und vor allem viel zu teuer. Da das Wetter leider nicht mitspielt, ist der Beach auch kein Genuss. Aber wir nehmen alles mit, was geht. Dann gibt es halt Fotos mit ein paar aufhellenden Filtern drüber. #nofilternosun
Zurück auf der Christina powern wir uns in der Kabine noch mal aus: vier im Plus! Danach geht es zum Abendessen, typisch vietnamesisch. Wie spanische Tapas, jeder nimmt etwas von allem. Wir sitzen mit zwei Dublinern und einem Franzosen am Tisch. Eine lustige Runde. Nach einem Wein und zwei Bier, Saigon ist jetzt übrigens mein Favorit, bin ich eins im Plus und setze mich an meinen Blog. Das Wetter soll morgen nicht besser werden. Eben unser Fluch, aber wir sind optimistisch.
4. Tag
Neuer Tag – gleiches Wetter. Leider. Die Sonne ist leider immer noch nicht zu sehen. Wenigstens schlafen wir hier wie Babies: Neun Stunden später bin ich aber immer noch müde. Das Frühstück auf dem Boot fällt eher mau aus. Um halb neun geht es schon auf unseren Tagesausflug: Kajakfahren und Höhlenbesuch. Ich bin in meinen achtundzwanzig Jahren noch nie Kajak gefahren und somit etwas nervös. Wir haben alles in unsere Drybags verstaut. Es dürfte eigentlich nichts schief gehen. So war es dann auch. Auf dem Wasser herrscht einfach eine andere Stimmung. Das „Sein“ ist ein anderes. Wir paddeln uns etwas nass, weil wir noch nicht so gut eingespielt sind. Ich bin gespannt, ob wir morgen einen Muskelkater haben. Zurück auf dem Boot gibt es Mittagessen vom Grill. Angerichtet wie gestern: Es werden mehrere Gänge serviert, alles auf großen Tellern, von denen jeder etwas nehmen kann. Es ist vor allem eins: zu viel. Wir schämen uns etwas, dass wir so viel stehen lassen, aber das ist einfach nicht zu schaffen: Es gibt diverses Seafood, Chicken, Gemüse, Melonensalat, Kartoffeln, Mais. Für den westlichen Gaumen nichts Unbekanntes. Nach dem Essen möchte ich „Egg coffee“ probieren, bekomme aber eine Zuckerplörre – ich glaube, das war wohl nichts. Die Vietnamesen hauen überall einen Schwung Zucker rein. Diabetes lässt grüßen. Bevor das Nachmittagstief einsetzen kann, sind wir auch schon auf dem Weg zur „Mastercave“. Der Guide erklärt, warum diese so heißt: Da das Floating Village keine Schule mehr hatte, kamen einmal im Jahr sogenannte „Masters oder Teachers“ zwischen Juni und August in die Floating Village. Als Unterrichtsraum wurde eben diese Höhle verwendet. Heutzutage ist die Höhle nicht mehr öffentlich zugänglich. Wir schauen uns verwundert an und fragen: Der Besuch der Höhle ist nicht legal? „Of course, it is illegal“ antwortet der Tour Guide trocken. Wir sind erschrocken und amüsiert zugleich. #ofcourseillegal – Mit Taschenlampen ausgestattet erkunden wir allein die lange Tropfsteinhöhle, die in zwei Kammern geteilt ist. Es ist etwas gruselig, aber wunderschön. Die Stalagtiten und -miten glitzern an manchen Stellen edel. Dass hier öfter Menschen sind, sieht man auch an den verlegten Kabeln, die der Höhle etwas den Zauber nehmen. Nach der Tour geht es zurück an Bord.
Während der heutigen Tour haben wir Kathrin und Jonas aus dem Rheinland kennengelernt, ein sympathisches Paar Anfang 20, die ebenfalls für etwas länger in Vietnam unterwegs sind. Der Polizist und die Studentin machen danach noch einen Abstecher nach Kambodscha. Die beiden sind lustig, wir vier verstehen uns gut.
Zurück in der Kabine wird erstmal „gechillt“, auch wenn wir uns kaum bewegen, sind wir nach so einem Tag echt kaputt. Unsere Workouts lassen wir heute ausfallen, nennen wir es „Restday“ 😉 * Nach dem Abendessen versuchen wir uns im Squid-Fishing. Der Reiseleiter erklärt den Fangvorgang wie folgt: die Tintenfische sind wie Männer. Wenn sie Licht sehen, denken sie, es ist ein Club und schwimmen darauf zu – in der Hoffnung, dort eine Frau aufzureißen. Wir simulieren mit unserem Angelhaken eine tanzende Tintenfischfrau. Und so beginnen wir zu tanzen: Wir probierten Techno, Bachata und Ballett. Ich glaube, ich habe mein Talent entdeckt. Ich bin professionelle Squidfischerin. Habe drei Stück gefangen! Ist nur die Frage, ob das eher gut oder schlecht auf mein Karma einzahlt.
5. Tag
Um 05:50 aufgewacht, weil es mich überall gejuckt hat. Über Nacht habe ich mindestens sechs Mückenstiche eingeheimst. Aber wir haben vorgesorgt und den Hitzestift mitgenommen. Das Teil ist genial: Man hält es zehn Sekunden auf den Stich, dann wird es sehr heiß. Durch die Hitze werden die Proteine, aus denen das Mückengift besteht, zerstört. Das ist der häufigste Fehler, der bei Mückenstichen begangen wird: Man kühlt ihn. Das Gegenteil sollte man aber tun. Naja, wie auch immer: Im Laufe des Tages kam dann noch mindestens die doppelte Anzahl an Stichen dazu. Aber nur an den Beinen. Und nicht nur bei mir. Der vietnamesische Mückenfunk verbreitet sich anscheinend schnell. Auch mein Freund ist heiß begehrt.
Nachdem ich so früh aufgewacht bin, besuche ich die Thai Chi Stunde auf dem Schiffsdeck. Die Stunde besteht aus zehn Minuten*, ist aber ein guter erster Eindruck des vietnamesischen Sports.
Nach dem Frühstück geht es in eine weitere Höhle. Diese ist allerdings von Touristen überflutet. Nicht mehr schön. Wir sind froh, als es vorbei ist. Das einzig interessante ist die Geschichte:: Während des Krieges zwischen China und Vietnam, China wollte mehrfach Vietnam einnehmen, schien die Situation aussichtslos, denn die Chinesen waren zu weit vorgedrungen. Plötzlich erschien, so die Sage, ein Mutterdrache mit ihren Kindern und verhinderte so die chinesische Invasion. „Halong“ bedeutet „herabkommender Mutterdrache“. Die Babydrachen erhielten auch jeweils eine Bucht nebenan. Noch heute erinnern die Felsformationen an Drachen. Die Vietnamesen erzählen diese Geschichte oftmals ihren Kindern als Gute-Nacht-Geschichte. „Ist nicht so gruselig wie Game of Thrones – und dazu jugendfrei.“ Unser Guide zwinkert uns zu. Geografisch sind die Felsen allerdings so entstanden: Über die Jahrmillionen haben sich verschiedene Gesteinsschichten gebildet, die vom Meer unterhöhlt wurden. Sehr viele Erdteile sind nach und nach weggebrochen, übrig geblieben sind diese riesigen restlichen Kalkfelsen, wie man sie heute kennt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Wasserspiegel erheblich gesunken ist und noch weiter sinken wird.
Nach einer Fotosession geht es zurück an Bord. Ein kleiner Kochkurs steht auf dem Programm: Uns wird der Schiffskoch vorgestellt, der aussieht wie als sei er zwölf Jahre alt, aber schon achtundzwanzig ist. Unser Guide preist ihn auf dem Singlemarkt an: Er wurde vor ein paar Wochen von seiner Freundin verlassen, weil er nur fünf Tage im Monat frei hat – das war ihr einfach zu wenig. „So, he is still available. If you know anybody.“ Wir lachen und bemitleiden ihn gleichzeitig. Er ist sehr talentiert und schnitzt aus Karotten und Gurken wunderschöne Blumen. Wir dürfen Sommerrollen zubereiten. Der Guide erklärt uns den historischen Hintergrund der Sommer- oder Frühlingsrollen: Jede Zutat steht für eine Eigenschaft oder eine Tugend. In der Rolle sind dann alle guten Tugenden vereint. Deswegen sind runde Nahrungsmittel so wichtig. Auch wenn sie nur so angeordnet werden, sind sie sehr gut für die Seele. Als Essen für gutes Karma – hier sind wir ganz vorne dabei.
Nun erfahren wir endlich, warum hier ebenfalls das „Chinese New Year“ gefeiert wird: Aufgrund der wiederholten Versuche Chinas, Vietnam für sich zu beanspruchen, kamen auch einige chinesische Brauchtümer nach Vietnam. Die Vietnamesen haben deswegen viele Worte und Bezeichnungen (Halong) von den Chinesen übernommen. Allerdings immer mit einer vietnamesischen Anpassung.
Der Guide geht auch noch auf die Vergangenheit, den Krieg und die jahrzehntelange Spaltung zwischen Nord- und Südvietnam an: Seine Familie stammt aus dem Süden. Sein Vater war selbst im Krieg gegen Nordvietnam und musste nach der Wiedervereinigung für einige Monate ins Gefängnis. Als er wieder entlassen wurde, wollte er mit seiner Frau fliehen. Ganze dreimal habe er es vorgehabt. Jedes Mal kamen ihm und seiner Frau eine Schwangerschaft dazwischen. Sein Vater sah das als Zeichen, in Vietnam zu bleiben. Die Demonstration und die Erzählungen des Guides berühren mich sehr. Der Krieg ist wirklich noch nicht so lange her (1955 – 1975). Die Nachwehen spürt man hier immer noch.
Eine weitere Eigenheit, die uns als Deutsche sehr geschockt hat, ist die Anwesenheit von Hakenkreuzen. Dabei handelt es sich aber nicht um Hakenkreuze im Sinne der Nazi-Diktatur, sondern um das Sonnenrad-/Sonnenkreuz-Symbol. Es ist eines der ältesten Symbole der Welt und in vielen Kulturen zu finden. Es bedeutet „Glück“ oder „Heil“. Im ersten Moment waren wir etwas irritiert, als wir es in der gesamten Verzierung des Schiffs sowie an einer Häuserfassade in Hanoi entdeckten.
Nach einem weiteren Mittagessen werden wir an Land geschippert und nach Hanoi zurückgebracht. Noch am gleichen Abend nehmen wir den Nachtzug nach Hue, der Kaiserstadt. Zuvor gönnen wir uns aber noch eine Massage. Vorsorglich, in Anbetracht der ewig langen und unbequemen Zufahrt.
6. Tag*
15,5 Stunden Zugfahrt im „Softseat“ von Hanoi nach Hue. Leckomio! Einmal und nie wieder – zumindest nicht im „Softseat“. Ich wollte unbedingt Zugfahren in Vietnam. Wegen Neujahr ist aber fast alles ausgebucht, sodass wir auf den Schlafwagen verzichten und auf den „Softseat“ zurückgreifen müssen. Das ist die „Mittelklasse“. Es gibt noch „Hardseat“. Das sind harte Holzbänke. Und da sitzen wirklich Leute. Preislich unterscheiden die sich extrem. Die günstigsten Hardseats kosten für diese Strecke 20 Euro. Die Softseats, wie im Flugzeug nach hinten klappbar, kosten 24 Euro und ein Bett im vierer Abteil 62 Euro. Ein Flug für die gleiche Strecke kostet 50 Euro, allerdings mit nur sieben Kilo Handgepäck, mit normalem Gepäck bis zu 30 Kilo 110 Euro. Also eine Preispolitik haben sie, die Vietnamesen 🙂 Ehrlich gesagt haben wir es aber nicht mit Blick auf den Preis gemacht, ich war einfach total neugierig. Ich vergebe lieb gemeinte sieben von zehn Lokomotiven für diese Erfahrung. Da wir über Nacht fahren, vergeht die Zeit im Schlafen – also mit anderen 50 Leuten und deren (Körper-)Geräuschen im Abteil. Aber wir wussten, worauf wir uns einlassen. Um halb eins mittags kommen wir am Bahnhof in Hue an und lassen uns per Taxi zu unserem Hotel kutschieren. Laut Reiseführer sollen wir bei Taxifahrten auf die Taxameter bestehen. Die ersten zwei Taxler hatten darauf keine Lust, sie wollten durchschnittlich 150.000 Dong (5 Euro). Als wir beim dritten Taxler mitfuhren, zeigt das Taxometer 30.000 Dong (1,15 Euro). Auch 5 Euro wären für uns Europäer für diese Strecke Peanuts, aber wir Touristen machen die Preise langfristig kaputt, wenn wir immer das zahlen, was gefordert wird, ohne zu verhandeln. Die Kunst ist, den Grat zwischen unverschämt und überzogen zu finden.
Unser Hotel „Holiday Diamond“ ist zentral gelegen und kostet – bitte festhalten – 13,50 Euro die Nacht inkl. Frühstück für uns zwei. Ich komme darauf irgendwie gar nicht klar: Das Hotel ist sauber, das Personal äußerst freundlich und hilfsbereit, die Lage ist perfekt. Wir sind richtig geflashed. Wir buchen für den nächsten Tag eine Rundreise zu den verschiedenen Kaisergräber, für die Hue bekannt ist, mit einem privaten Fahrer, Mittagessen und Flußfahrt für 55 Dollar. Das „gönnen“ wir uns jetzt. Auch wenn mir so eine private Betüdelung nicht so angenehm ist. In Hue bleiben wir zwei Nächte. Danach wollen wir mit dem Roller über den sogenannten „Wolkenpass“ nach Hoian. Das Gepäck kann man sich „liefern lassen“. Kosten hierfür betragen 27 Dollar zzgl. Sprit. Die Überfahrt dauert vier Stunden für 120km inkl. Stopps an Hotspots. Hue ist aufgeschlossen, touristisch und bar-lastig: Abends werden die Straßen der Innenstadt gesperrt und somit zur Fußgängerzone. Das Angebot an Bars, Restaurants, Pubs und Co. ist überwältigend.
Ach ja: Wir sind gefühlt mit -10 im Minus mit unserer Challenge. Die Verpflegung im Zug bestand aus Keksen und Süßkram. Zwar gab es nach zwei Tagen mal wieder eine taffe Einheit, aber wir geben uns so langsam der Urlausverfettung hin – voll und ganz und ohne schlechtes Gewissen.
7. Tag
Heute geht es kulturell richtig ab: Wir haben einen Rundtour zu den gefühlt 48 Gräbern der vietnamesischen Kaisern gebucht inkl. Bootstour und Mittagessen. Damit es wieder authentisch ist, haben wir natürlich extra viel bezahlt. Wir wollen ja nicht unglaubwürdig wirken. Die Gräber sind an sich weniger spannend, aber die Gärten sind der Wahnsinn. Man sagt sie sind alle nach Feng Shui angelegt. Die Kulissen sind für Mini-Fotoshootings a la Instagram perfekt 😉 Das Boot haben wir dann für uns alleine inkl. leckerem vietnamesischen Mittagessen. Leider ist das Wetter sehr nieselig und die Straßen somit „bazig“ und feucht. Aber was sollen wir tun? Den Wettergott verfluchen? Nein! Dem heiligen Huda-Gott fröhnen. Das Huda-Bier ist hier in Hue das größte, mit 450ml, und preisgünstigste. Vom Geschmack etwas mild, aber mit 4,8% voll in Ordnung. 2017 wurde es sogar in Berlin mit Silber ausgezeichnet. Übrigens: Unser heutiges Workout haben wir zum Glück auch schon hinter uns.* Abends gehen wir noch in ein richtig gutes, preisgünstiges Restaurant. Meine Standard-Einstellung bei Tripadvisor und sind überwältigt. Das Honig-Hendl ist der Wahnsinn. Ich habe mich beim Essen mit den Fingern fast wie auf der Wiesn gefühlt – nur dass das Hendl saftig ist.* Morgen wollen wir mit dem Roller über den Wolkenpass nach Hoian. Leider soll es durchgehend nieseln, aber wir werden einfach vorsichtig fahren. Prost und gute Nacht!
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