Am 4. Februar traf man sich in der whiteBOX bei den Stadtlesern des Graffitimuseums Berlin Aljoscha Begrich, Jo Preußler und Stefan Reuter. Mit ihrer Ankunft in München am 19. Januar waren Jo Preußler und Stefan Reuter zu den Graffiti-Diensthabenden Joachim Spurloser und Stefan Wartenberg mutiert. Ab dem 26. Januar, dem Tag der Eröffnung ihres begehbaren Büros INVENTARIUM in der whiteBOX konnte dann das Publikum in einer Dauerperformance nachvollziehen, was die beiden in der Stadt an „Tags“ eingelesen und archiviert hatten.
Spurloser war unermüdlich unterwegs „Graffoti“ herzustellen. Die fotografierten Signaturen der Sprayer wurden ins whiteBOX-Büro gesandt, projiziert und von Wartenberg „gereinigt“, einer besseren Lesbarkeit zugeführt und auf Karteikarten ausgedruckt. Das „metaphorische“ Büro um den Arbeitsplatz von Wartenberg war ansprechend aufgelockert mit Arbeiten von Tuncay Acar, Loomit, Timm Ulrichs Christian Schellerberger und weiteren zahlreichen Arbeiten.
Auf mittlerweile mit massenhaften Karteikarten beklebten Wänden konnte man schon vorsichtige exegetische Ordnungen vermuten. Wenn man wollte. Um der dennoch babylonischen Verwirrung einen Klang zu geben las nun Dido, die Tochter Aljoscha Begrichs, aus einem weiteren Stoß von Karteikarten vor. Die drei Museumsarbeiter mühten sich redlich, die neuen tags einigermaßen sinnvoll in die Gruppen auf den Wänden einzufügen. Mit sichtlichem Vergnügen genoss Dido die Überforderung der drei, die nicht mehr nachkamen und am Ende wieder einen Berg von lexikalisch nicht Entschlüsseltem zurücklassen mussten.
Die Tochter des Museumdirektors betrieb also möglicherweise vielleicht systemimmanent die neuerliche Desorientierung der Zeichen der nächsten Generation. Ein amüsantes Spiel. Und wir nehmen es anlässlich dieser leichtfüßigen Veranstaltung erst einmal nicht so ernst und gehen nicht so weit wie der Philosoph Jean Baudrillard, der in der Herrschaft der Medien und Zeichen ein Trugbild (Simulacrum) der gesellschaftlichen Wirklichkeit sah. Ein Trugbild, dessen Störung er durch die „Tags“, die Anfang der 70er in New York und Chicago virulent wurden und durch die U-Bahnen in andere Viertel transportiert wurden, begrüßte. „Kool Killer“ heißt der fantastisch polemische und gescheite Aufsatz des großen französischen Provokateurs, der bereits 1975 erschien. Ein bisschen verdarb er es sich mit den Feuilletonisten allerdings, als er 9/11 als den Selbstmord der Türme bezeichnete.
Wir setzen dem entgegen das Gedicht PEACE 2 aus dem Band „Calyba“ von Spurloser/Wartenberg. Peace 2: WEND EROS TWIN DH / ART TRAFO BEN AMK / OPF UA! / WEND IGITT ERBE / HIND ERNA MG / UTE NBLICKE / WEND ASKI NORA SEND / MACH TEIN SEIN EMT / RAU ME
Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Februar zu sehen.
Weitere Infos und Öffnungszeiten der whiteBOX unter www.whitebox.art