Die STROKE Art Fair fand letztes Wochenende im Werksviertel Mitte statt. Es war ein voller Erfolg, den wir hier mit Bildern „untermalen“. Eine Kunstausstellung ist dann erfolgreich, wenn so viel Leute da sind, dass die Kunstwerke nicht mehr zu sehen sind. Da ist es gut, gleich am Tag nach der Eröffnung der STROKE Art Fair in der Zündapphalle die Arbeiten in Ruhe bei Tageslicht anzuschauen.
In der Urban Art ist ja auch nicht mehr alles grell, neonfarben, illustrativ, man entdeckt schon auch leisere Töne. Diese Werke begeisterten die Menschen auf der STROKE Art Fair.
Gleich rechts vom Eingang, am Stand vom Kunsthaus Artes, entdeckt man sogar Arbeiten von Weltstars aus einer Zeit, als die Kunst sich noch modern nannte und nicht urban war: Da hängen tatsächlich bezahlbare Drucke in kleineren Auflagen von Joan Miró, Roy Lichtenstein, Markus Lüpertz und Acryl-Petitessen von Jonathan Meese. Das Kunsthaus Artes aus Hannover, dessen Portfolio genauso Baselitz, Richter und Uecker ausweist, ist breit aufgestellt und stellt Künstler, die hervorgegangen sind aus der Street Art in eine Reihe mit den Halbgöttern. Hier, Imi Knoebel mit „17 Farben und 20 Stäbe“ neben Lüpertz´ Kaltnadelradierung „Hector“ und Meeses „Claudias und Scarlett“ in Türkis, Gold und Rosa.
Die offene Kunstgesellschaft. Ein Haus weiter dominiert der wunderbare Schädel „Skull Tatoo“ von Eliot, in X-Stichen, die an die Diamanten von Damian Hurst erinnern, gestickt und mit Acryl coloriert neben Stencil-Sprayabeiten.
Die Münchner Galerie Flash zeigt richtige, klassische Malerei mit Antoine Cordet. Mädchen, die in einer fast gotischen Entrücktheit Übermalungen, Striche, Strokes wesenlos hinnehmen. Wunderbar auch Sid Watters. Auch seine Körper und Gesichter tragen Schäden, erinnern an gemalte, beschädigte, korrodierte Fotografie. Einer der wenigen bösen Buben im Urban Easygoing.
Am Stand Slow Art Galerie aus Nürnberg stehen drei herrliche Seekuh-Köpfe von Joost Meyer. Das ist der glatte Frieden. Man wäre gerne dabei beim friedlichen Abgrasen von Unterwasseralmen. Einen anderen Ausweg aus der Enge der Zivilisation bieten die schon überirdisch kühlen Bilder der Raumserie von Nico Sawatzki. Innenräume, Innenhöfe von futuristisch eleganten Bürobauten, die allerdings nicht für den Gebrauch von Menschen gedacht zu sein scheinen.
Eine kristalline Eleganz, kühlste Textur des Strichs, Räume, die zwar nicht abweisend wirken – dafür sind sie zu schön – die aber unmöglich je betreten werden können. Unnahbare Schönheit. Genauso wunderbar kühl und streng seriell die Leuchtobjekte 2/8 von Ariane Koch. „New York“ verglimmt in orangenen Tönen auf der Netzhaut eines Großstadttraums: Eyes wide shut.
Aber natürlich gibt es da auch noch die Cracks der Fantasie-Konditoren. Die prall und fett mit der Spritztülle und mit synthetischen Aromen die skurrilen Tortengüsse ihres Innenlebens zum Besten geben. Von Jeff Soto prangt mit „Genie, med“ (2015) so ein Werk aus den Anfängen der Street Art und wird dereinst Sammler der Kitsch-Street begeistern. Aber wer hat schon etwas gegen Kitsch, oft umgibt an sich lieber mit Kitsch als mit Kunst. Auch hier, auf der STROKE Art Fair.
Aus dem Kitsch heraus bewegt sich el bocho mit ihren in Lebensmittelfarben gemalten „Wundergirls“. Die Frisuren der Mädels wirken essbar. Ondolierter Fruchtgummi. Witzig und ein bisschen selbstironisch. Einen wilden Gestus haben die Tuschearbeiten von Simon Barloewen.
Er schüttet üppig Tusche aufs Papier und reißt in wenigen Sekunden aus den Klecksen Figuren und Köpfe heraus, die von der Wildheit der Ausbruchsspuren selbst wieder eingefangen werden. Der Ausbrechende wirft ein Netz über sich, er erstarrt in den Fängen seines Impulses. Dann ist die Tinte trocken. Abschließende Standortbestimmungen der aktuellen Urban Art überlassen wir lieber zukünftigen, ungeborenen Kuratoren und empfehlen einen Besuch, noch bis einschließlich Sonntag. Sagen wir einfach es ist: Contemporary Emerging Art.