Es war der 66. ARD Musikwettbewerb der in Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am letzten Wochenende stattfand. Für all diejenigen, die nicht dabei sein konnten, gibt es hier einen Rückblick:
Zum weltweit größten Musikwettbewerb kamen in diesem Jahr knapp 200 internationale, junge Musiker, um sich in den Fächern Klavier, Violine, Oboe und Gitarre zu messen. Die Spannung war hoch und die Konkurrenz lag sehr eng beieinander.
Die Vorbereitung für die Teilnahme dauerte bis zu einem Jahr. Es ist ein langer und harter Weg ins Finale. Eine prominent besetzte Jury hatte jedes Detail im Blick und bewertete musikalisches Können, Ausstrahlung und Bühnenpräsenz. Die Jury bestand aus Thomas Quasthoff, Christian Tetzlaff, Mitsuko Uchida und Sol Gabetta. Diese vier Künstler der Klassikszene sind alle Preisträger des Internationalen ARD-Musikwettbewerbs gewesen und haben hier den Grundstein für ihre Karriere gelegt.
Besonderen Grund zur Freude hatte der zweitplatzierte Fabian Müller: Er bekam mehr Sonderpreise als jeder andere Teilnehmer des 66. ARD-Musikwettbewerbs in den Fächer Geige, Oboe, Gitarre sowie Klavier: Müller konnte auch noch Publikumspreis und den der Plattenfirma Genuin für eine CD-Aufnahme, dazu einen Brüder-Busch- und einen der Henle-Urtext-Preise abräumen.
Im ersten Konzert spielte er noch einmal überragend (wie schon im Finale, doch jetzt im Prinzregententheater und mit dem Rundfunkorchester unter David Reiland) das c-moll-Konzert op. 37 von Ludwig van Beethoven. Eminent klar, durchsichtig, spannungsvoll in jeder Phrase und im jeden Ton war das musiziert. So kontrolliert und rund im Anschlag, aber immer mit feinem Ausdruck und Sinn für Struktur und Spannungsverläufen zu spielen, ist ein Glücksfall. Dazu kam ein in den Ecksätzen stets vorwärtsdrängender Elan ohne je zu hetzen und eine wunderbare Natürlichkeit für die Mozart’sche Schlichtheit des E-Dur-Largos.
JeungBeum Sohn aus Südkorea, der einzige erste Preisträger des gesamten Wettbewerbs, war zum Abschluss des dritten Preisträgerkonzerts noch einmal (wie im Finale mit den BR-Symphonikern unter Michael Francis, aber diesmal in der Philharmonie) mit Piotr I. Tschaikowskys erstem Klavierkonzert b-moll zu erleben: ein Glasperlenspiel war das Prestissimo-Intermezzo im langsamen Satz, dem er zarte Schlichtheit gönnte, während die bewegten Ecksätze sich wie eine Kampfansage anhörten: laut, knallig, hart.
Alle drei Finalisten im Fach Gitarre hatten sich Joaquín Rodrigos unverwüstliches „Concierto de Aranjuez“ ausgesucht. Davide Giovanni Tomasi spielte es im ersten Preisträgerkonzert an der Seite des Rundfunkorchesters im Prinzregententheater mit schöner, poetischer Zurückhaltung, dabei blieb es aber leider auch. Warum er sich dann dieses effektvoll um Aufmerksamkeit geradezu buhlende, folkloristische Stück ausgesucht hat, weiß wohl nur er selbst. Doch dann präsentierte sich zwei Tage später mit den BR-Symphonikern der ebenfalls zweitplazierte Chinese Junhong Kuang. In der Philharmonie musste der erst 17-jährige natürlich verstärkt werden, was sein zupackendes Spiel noch betonte, aber den Gitarren-Klang auch steril machte und seiner Facetten beraubte.
Kristine Balanas aus Lettland hatte zusammen mit dem Münchener Kammerorchester im Semifinale mit dem Mozart’schen D-Dur-Konzert KV 218in der Musikhochschule durchaus überzeugt und bekam dafür den dritten Preis. Jetzt enttäuschte sie mit dem Münchner Rundfunkorchester fast. Viel dünner und neutraler ihr Ton, kaum Emphase und selten weit gespannte Bögen waren zu hören, allenfalls ein paar schwebende Momente im langsamen Satz konnten verzaubern in diesem Musikwettbewerb.
In der Philharmonie war erneut Andrea Obiso mit Sergej Prokofjews erstem Violinkonzert zu erleben. Noch mehr als im Finale reizte der zweite Preisträger, der auch für die beste Interpretation des zeitgenössischen Auftragswerks von Avner Dorman ausgezeichnet wurde, die Extreme aus. Und sein Musizieren war nun auch ein reizvolles Zusammenspiel mit dem BR-Symphonieorchester.
Bei Thomas Hutchinson ist der Vergleich seiner Auftritte aus der zweiten Runde und dem Finale mit demselben Stück noch aus einem anderen Grund interessant und erhellend: Musste oder durfte er das, wie er selbst sagt, „Angeberstück“ von Antonio Pasculli, dessen „Concerto sopra motivi dell’Opera ‚La Favorita‘ di Donizetti“, zunächst nur mit Klavier spielen, hatte er jetzt ein ganzes Orchester hinter sich oder auch im Nacken. Weil er ein introvertierter, fast schüchterner junger Mann ist, war ihm das extrovertierte Konzert eigentlich suspekt. Es vertraut nur selten den Donizettischen Melodien, sondern umspielt sie meist variantenreich virtuos. Das war jetzt mit dem vollen, dick instrumentierten Orchester fast noch mehr zu spüren, als nur mit Klavierbegleitung. Hutchinson musizierte wie mit angezogener Handbremse unter seinen Möglichkeiten, die er nicht zuletzt mit einem phänomenal intensiv gespielten Auftragswerk von Thierry Eschaich bewiesen hatte, das er wie alles andere auch auswendig spielte und dafür ausgezeichnet wurde.
Juliana Koch, ebenfalls zweite Preisträgerin, durfte noch einmal das 1945 nach den „Metamorphosen“ komponierte Oboen-Konzert von Richard Strauss spielen. Sie tat es mitzartem Ton, der einfach nur schön war. Das hatte mit dem nicht minder fein modellierenden BR-Symphonikern etwas traumhaft Entrücktes.
Wir bedanken uns für bei der Süddeutschen Zeitung für die Unterstützung zu diesem Artikel.
Einen Eindruck aus dem Live Stream finden Sie hier– vielen Dank an BR Klassik für diese Aufnahmen!