Zwischen Autospeicher und Container Collective spielte sich der Schlusstag des FNY-Festivals ab, als heiterer Familientag bei freiem Eintritt, mit viel Jazz und Groove. Wer wollte, konnte in der whiteBOX noch die magnetischen, irritierenden und fremdartig schönen Welten der Virtual Reality-Ausstellung „Uncanny Conditions“ besuchen. Auf dem Platz des Container Collective hatte sich die Express Brass Band, die sich selbst als ein Kollektiv versteht, aufgebaut. Die 20 Musiker um Wolfi Schlick am Helikon und Maria Burchardt an der Posaune sorgten mit ihrer immer fesselnden Mischung aus semiprofessioneller Anarchie und groovendem Afrobeat für tolle Stimmung.
Space Rock meets Deep Garage
Als Streetband erfahren und beliebt, haben sie schon vor Jahren einen Trend gesetzt, der in München zu hochgelobten Bands wie „Hochzeitskapelle“ oder „Konnexion Balkon“ führte. Und auch die „Lucky Chops“, groß geworden in einer U-Bahn Station in Brooklyn, gehören zu diesen musikalischen Eroberern des öffentlichen Raums. Letztes Jahr sorgten sie im Technikum für volles Haus. Im März dieses Jahres erschien ihre dritte CD „Pluto ist kein Planet“, die einmal mehr zeigt, wie der spontane und spacige Gestus eines Sun Ra sich mit dem kantigen Afrobeat von Fela Kuti und maghrebinischem Groove verbinden kann. Spacig ging´s auch zu in der Tiefgarage, wo die „Krassomaten“ von Organ Explosion um Hansi Enzensberger an Hammond B3, nebst Leslie, mit Captain Future unterwegs waren, um die Soul-Power der Vergangenheit zu retro-booten. „Somebody is Rocking“ my Jazzboat, bekannte einmal Elvin Jones und so ist es auch, wenn die drei von Organ Explosion, die ihren Proberaum schon seit den Zeiten der Kultfabrik hier auf dem Gelände haben, mal vorbeischauen. Es zischt, wha-what, brubbelt und piepst und es schiebt ganz heiß an im Organic Orange Groove der Hammond.
Kaum waren die „Krassomaten“ mit ihrem Soul-Shuttle aus dem Autospeicher gedüst, formierte sich eine eher akustische Gruppe mit Singer-Songwriter-Look, scharenweise kamen junge, enthusiastische Menschen heran und auf einem Screen slideten meditative Ornamente.
Nach der Bergmesse auf dem Dach des WERK3 ein Gottesdienst im Autospeicher
Ein Gottesdienst, wie sich schnell herausstellte, der Hillsong Church Germany. Tatsächlich zelebriert die Kirche mit Wurzeln in Sidney ihre musikalischen Gottesdienste sonst im Backstage. Was so alles aus dem Himmel fällt! Vor knapp einem Monat erst hatte Pfarrer Rainer Maria Schießler von St. Maximilian erst auf dem Dach des WERK3 eine Bergmesse gelesen. Christian Rock ist in den USA eine eigene Richtung geworden, das konnten wir auch im Technikum erleben, als Switchfood vor zwei Jahren zu den Botschaften der Erlösung 700 Hände nach oben fliegen ließ. Nach dieser intensiven Art eines white Gospel baute eine Legende aus München auf, entstanden in den ersten Jahren des Krautrock und Jazz. Embryo nannte Gründer Christian Burchardt diese später weltgereiste Formation. Seine Tochter Maria Burchardt, die das Bandprojekt weiterführt, ist wohl neben der 40jährigen Arbeit des Vaters zurecht sein ganzer Stolz. Gerade noch hatte sie bei der Express Brass Band mitgehupt, schon saß sie an Keyboards neben dem Vibraphon.
Den Set hat dann Roman Bunka an der Oud begonnen. Er ist ohne Frage einer der besten Oud-Spieler auch innerhalb des arabischen Raums. Die arabische Neigung über Vierteltöne harmonische Alterationen zu kreieren, ist in der Geschichte des Modern Jazz nach dem Blues der wichtigste Impuls bis zu John Coltrane und Miles Davies. Als die Band sich dann nach den leisen Ausflügen in die tonalen Fata Morganas komplettiert hatte, bot sich mit „You´ve Got It“ von Mal Waldron und „Orange Man“ von Charlie Mariano ein Feuerwerk des ekstatischen Fusion Jazz. Wolfi Schlick von der Express Brass Band war auch herunter gekommen und feuerte mit dem Sopran-Sax am Wha-Wha-Pedal mit wilden Multiphonics den Groove an. Bei „Die Treppe“ von Maria Burchardt stiegen wir in der Tat, gepeitscht vom ungeraden Beat tiefer und tiefer. Und es wurde wärmer und wärmer.
Fantastisch! Embryo hat immer noch eine Zukunft. Da war es gut, dass man anschließend bei Adriano Prestels „Delicious Groove Gourmets“ ein bisschen Cover-chillen konnte. Zwischen Stevie Wonder, den Jackson 5 und Jimmy Cliff bewegte sich die große Soulstimme der letzten Jahre in München neben San 2, souverän, expressiv und manchmal mit nasaler Schärfe. Songs wie „My Girl“ waren raffiniert mit Reggae verschnitten und auch westafrikanische Klänge mischten sich in die Bridge.
Den glorreichen Abschluss bildeten „Biboul Darouiche and Friends“. Erst letztes Jahr konnten die Münchner den Perkussionisten von Klaus Doldinger beim Jazzfest 2016 in der Black Box feiern, als er Majid Bekkas featurte. Sein ständiges Projekt „Soleil Bantu“ dürfte vielen bekannt sein. Zusammen mit Miko Watanabe an den speziellen Perkussionsinstrumenten des sogenannten Gnawa Blues, schüttelte die Band noch einmal das Jazzboat ordentlich durch und formierte Hancock´sche Druckwellen bis spät in die Nacht. Garagensound gab es übrigens nicht zu hören, vielleicht Deep Garage? Intensiv und druckvoll war es auf jeden Fall.
Bleiben Sie auch zukünftig auf dem Laufenden, es folgen stetig weitere Events rund um das Werksviertel Mitte.