Am Samstag, 18. Februar, hieß es auf geht´s (пое́хали!) zur Piroschki-Party ins Technikum mit der bekannten Petersburger Band „Markscheider Kunst“. Ein seltsamer Name, der da die Scharen aus allen Altersschichten versammelte, durchsetzt mit sich ihrer Wirkung sicheren, arrogant-schönen Jungdiven in hohen Stiefeln und mit Blumenkränzen im Haar nebst normalen, völlig dresscode-freien Männern ohne Wollmützen und mit in der Taille sitzenden, gedeckten Stoffhosen, die sich ausgiebig an der Bar mit taurinhaltigem Bullen-Wodka eindeckten.
Ein bisschen Unterlage, eher für die Jungdiven, gab es natürlich auch in Form der Piroschki-Teigtaschen, der kleineren Ausgabe der Piroggen. Seltsame Bandnamen ist man bei den Russen eigentlich gewöhnt.
„Gogol Bordello“, das kreative Chaos aus Punk und Dub, gemischt mit Roma-Folklore und gesungen teilweise auf ukrainisch, kennt man hierzulande bestens, erst vor drei Jahren war der Exzess um Eugene Hütz in der TonHalle. Und was „Russendisko“ bedeutet, wissen heute auch schon viele Westler. Ein Film, ein Partylabel, ein Musikstil. Der Name nun, der Band aus Petersburg mit ihrer Mischung aus Latin-Ska, Kamtschatka-Batacha, Polka-Punk und Russ´n Roll kommt aus der deutschen Bergmannssprache.
Unter der Erde und auf See – russische Bergleute und Matrosen sind rebellisch und feiern äußerst draufgängerisch, das weiß man. Der Markscheider im Bergbau jedenfalls ist also ein Vermessungsingenieur und das ist das Fach, das die meisten in der Band studiert haben, die sich in den 90er Jahren kennen gelernt haben. Mit einem durch massive Percussion verstärkten Schlagzeug arbeitet an zwei Positionen ein rhythmisches Bohrwerk, das sich in alle Gehörgänge arbeitet und mit den Ska- und Soulriffs von Trompete und Saxofon ist eine Offbeat-Maschine geschaffen, auf die sich Sänger und Gitarrist Sergei Jefremko mit seiner Stimme setzt. Tanzzwang ist völlig unausweichlich. Es entsteht kein Wald aus hochgereckten Smartphone-Armen, dazu ist keine Zeit. Die normal gegürteten Hosen halten ja auch bei heftigeren Bewegungen gut. Der vordere Bereich der Bühne mit den Monitoren dient den russischen Schönheiten als Garderobe oder als Sitzgelegenheit. Ordner waren zumindest nicht zu sehen. Zwischen Publikum und Podium herrscht so etwas wie Kameradschaft.
„Markscheider Kunst“, die wie „Distemper“ (Ska-Punk), „Haydamaky“ (Karpaten-Ska) oder „Leningrad“ (skandalumwitterte Musik-Anarchisten) zu den führenden Vertretern dieses Stils gehören, sind in jeder Menge von musikalischen Idiomen sicher. Rumba, Afrobeat und Reggae werden im Kasachok-Akzelerando genauso angetrieben wie schon auch mal eine Nummer von Thelonious Monk. Bis dass der Kreisel brummt. Für die spezielle Art die verschiedensten Stile mit dem russischen Musik-Gen zu infizieren, gab´s im Umfeld von Vladimir Kaminer für den Musikstil „Russendisko“ schon die interessanten Unterlabels „Kolchosen-Klezmer“, „Balalaika-Ska“ und „Don-Kosaken-Reggae“. Wir haben uns eingebildet bei „Markscheider Kunst“ auch die „Kamtschatka-Batacha“ herauszuhören. Aber da brummte der Kreisel, respektive der Kopf schon ein bisschen. Und alles friedlich.