Mit der Aufführung des zweiten Teils der Rohtheater-Produktion, Empire # 2, am 11. November in der Container-City des Werksviertels, umgibt sich der Veranstalter, das Container-Collective, nebenbei und geschickt mit einem attraktiv-mysteriösen Schleier. Keine einführenden Worte zum Spielort, einem Container an der Atelierstraße im Münchner Osten, keine kuratorischen Absichtserklärungen – Rohtheater war einfach da und das Publikum auch.
Zwischen dem Jugendkultur-Projekt Kösk im Westend und der Favoritbar in der Altstadt war der Münchner Osten mit seiner Container-City zweite Station einer subkulturell ambitionierten Stadtrundfahrt von insgesamt sechs angelegten Stationen. Endstation wird dann wieder das Kösk sein, am 28. Januar. In einer performativen Metacollage bearbeiten Bülent Kullukcu, Dominik Obalski und Anton Kaun das von Slavoj Žižek als Versuch eines „kommunistische[n] Manifest[s]des 21. Jahrhunderts“ bezeichnete Werk des Literaturwissenschaftlers Michael Hardt und des italienischen Philosophen Antonio Negri, „Empire – die neue Weltordnung“.
In ihrem „posthumanen“ Theater verschmelzen analoge und digitale Bilder mit dunklem Electro und eingespielte Textpassagen über entmenschte Technologie und Bio-Machtpolitik werden durchbrochen vom Manga-Comic „Pluto“ des japanischen Zeichners Naoki Urasawa, in dem ein Kommissar einen Roboter-Mörder jagt. Rückblicke aus einer Dystopie und der Zeit danach. Wobei die momentan und allseits häufige Verwendung der Post-Vorsilbe, der Hoffnung Ausdruck verleihen möchte, dass in der Zukunft etwas überwunden sei. In diesem Fall vielleicht der durch die Passagen des Konsums getriebene Mensch. Oder wie im paradoxen Gebrauch des Moderwortes `postfaktisch´ unterstellt werden kann, dass man die Realität unpassend eingetretener Fakten negieren möchte. Zum Beispiel der komische Wahlsieg von Donald Trump. Er wird derzeit im Internet in einer alten Comic-Sequenz der Simpsons als deren Prophetie quasi rückredigiert. Das Verschwinden der Zukunft, von den Poststrukturalisten behauptet, produziert Ellipsen asynchroner Zeitabläufe, die Zeit verbeult sich.
Die Avantgarde sehnt sich in den Zustand eines Post-Neoliberalismus, das Establishment lehnt den Angriff auf sich als postfaktisch ab. Macht und Gegenmacht streiten um das, was vergangen sein wird. In der Metacollage von Rohtheater wird mit der Hoffnung auf das, was Geschichte sein wird oder sein könnte, genial gespielt. Zu den Abgesängen der Humanität seit Erich Fromm, über Max Weber sprechend, bis zur Kontrollgesellschaft des Giorgio Agamben steht Anton Kaun zwischen Bildern der Manga-Jagd auf Robotermörder und filmt mit kindlich winziger Kamera in einer Art geborstener Modelleisenbahn aus der Zug der Zeit bereits herausgefahren ist. Fachwerkhäuser, die einladen zu gemütlichem Saumagen, liegen durcheinander, explodierte Skatrunden, Menschenpüppchen, menschliches Zeugs.
Das überlagert sich mit der Festprojektion von Menschenmassen in asiatischen Badeanstalten, in denen das Wasser verdrängt erscheint und das Atmen in den aufgeblasenen Schwimmreifen verschwunden ist. Bienenvölker fressen sich durch Hochhaus-Silhouetten, ermordete Roboter liegen herum, es ist ein Krieg der Welt gegen die Schöpfung. Einer Welt, die eher untergeht als der Neoliberalismus. Was natürlich eine postfaktische Aussage ist. Roh ist klasse! Die subkulturelle Stadtrundfahrt durch dieses Gegenmünchen lohnt sich!